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Leitstrahl für Aldebaran

Leitstrahl für Aldebaran

Titel: Leitstrahl für Aldebaran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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selbstverständlicher Disziplin herangezogen hatten - und einfach selbst alles einzuschalten. Sollte doch jemand wagen, sie mit Gewalt daran zu hindern! Und trotzdem, so einfach ging das eben nicht, bestand doch die Gefahr, daß ein solcher Schritt die Mannschaft spalten würde, für lange Zeit, wenn nicht gar endgültig.
    Toliman war keineswegs so ruhig, wie er nach außen hin erschien. Am liebsten wäre er selbst zum Pult gestürzt und hätte alles eingeschaltet, was nur irgend Aussicht bot auf Hilfe für Mira. Er hätte sogar Argumente dafür ins Feld führen können - Mira wurde gebraucht, ohne ihre Kontrolle wurde der Leitstrahl vielleicht zum falschen Zeitpunkt oder in die falsche Richtung abgegeben, Miras Gesundheit mußte also unter allen Umständen erhalten bleiben. Aber er war damals bei Gemma hart geblieben. Was würden die beiden jetzt wohl sagen, wenn er nachgäbe; oder vielmehr, nicht was sie jetzt sagen würden, war von Bedeutung, sondern was sie später sagen würden, was sich in ihren Köpfen und dann auch in ihren Gesprächen festsetzen würde, was wie eine heimliche Krankheit am ganzen Kollektiv nagen würde.
    In dieser seltsamen Situation war es der sonst so unempfindliche Rigel, der eher als die anderen verstand, was da unausgesprochen vor sich ging, und der mit größter Ruhe die richtigen Worte sagte.
    »Nun komm aber nicht mit dieser blödsinnigen Konsequenz«, sagte er zu Toliman, »du müßtest diesmal dagegen sein, weil du beim vorigen Mal auch dagegen gewesen bist!«
    Nur eine Sekunde zögerte Toliman, und auch das nur, weil ihm plötzlich einfiel, was er sich vorgenommen hatte: mehr auf die anderen zu hören, ihnen mehr Urteil zuzutrauen.
    »Bereitet ihr Mira vor, ich schalte das System ein«, sagte er.
    Als er fertig war mit der Schaltung, trat Gemma neben ihn.
    »Wir müssen die bisherigen Symptome codieren und eingeben, am besten mach ich das. Geh du zu Mira. Nebenbei - ich finde es gut, daß du das kannst, hätte ich dir gar nicht zugetraut.«
    »Was denn?« fragte Toliman, der jetzt wirklich nicht ahnte, was Gemma meinte.
    »Na, daß du deine Prinzipien auch mal verletzen kannst, wenn es um deine Frau geht. So muß es auch sein.« Sie gab ihm einen leichten Knuff. »Na, laß mich schon ran hier und geh dahin, wo es dich hinzieht!«
    Nach Rigels Zureden hatte Toliman sich verstanden gefühlt, jetzt empfand er Gemmas Lob gerade jener Motive seines Handelns, die er selbst verurteilte, wie eine Ohrfeige. Aber weil die Sorge um Mira stärker war als jedes andere Gefühl, vergaß er die Enttäuschung schnell wieder.
    Mira war offenbar so erschöpft - wenn nicht Schlimmeres eingetreten war -, daß sie bei all den Handlungen, die an ihr und mit ihr vorgenommen werden mußten, nicht richtig wach wurde. Zum Glück hatte sie unbekleidet geschlafen, so daß die andern sie wenigstens nicht ausziehen mußten.
    Als die Diagnose erschien, atmeten alle auf - nur fünfzehn Prozent Wahrscheinlichkeit für eine Infektion, aber achtzig Prozent für ein interplanetares Adaptionssyndrom; Schwierigkeiten bei der Anpassung an das hiesige Milieu waren also die Ursache für Miras Anfall. Die fünfzehn Prozent konnte man erfahrungsgemäß vernachlässigen; die Computerdiagnose war immer übergenau, und der Medicom berücksichtigte diese anderen Prozente bei den therapeutischen Maßnahmen, die er nannte.
    Die vorgeschlagene Therapie war einfach. Sie kam ohne Medikamente aus und beschränkte sich im wesentlichen auf gymnastische Übungen und tagesrhythmische Regelungen; ein bis drei Tage wurden für die Heilung veranschlagt, allerdings mußte damit gerechnet werden, daß die Erscheinungen, wenn auch in abgeschwächter Form, in Abständen von etwa drei Wochen wieder auftreten würden.
    Sie trugen Mira auf ihr Lager zurück, ohne daß sie aufwachte. Dann löschte Toliman das Licht. Er warf keinen Blick auf den Energiepegel - er wäre sich kleinlich vorgekommen, wenn er jetzt nachgerechnet hätte. Dazu war er viel zu glücklich.
    Rigel war nicht so zartfühlend.
    »Die Energieproduktion einer Woche«, sagte er, »ist doch gar nicht so schlimm, das holen wir schnell wieder auf, ich hab da schon Ideen.«
    Draußen schimmerte bereits ein rotes Dämmerlicht.
    Diesen Aufregungen folgte eine freundlichere Woche. Die Arbeit war freilich hart und anstrengend, noch umfänglicher sogar durch Miras zeitweiligen Ausfall. Aber die Sonnen schienen, Rigels Projekte gediehen, Energie und Nahrungsmittel flossen reichlicher zu. Doch

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