Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leitstrahl für Aldebaran

Leitstrahl für Aldebaran

Titel: Leitstrahl für Aldebaran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
Vom Netzwerk:
möchte einen zweiten Damm bauen, unten am Talausgang, und noch ein Windrad, oben auf dem Hang.«
    Toliman nickte. Ja, das waren gute Projekte, sie blieben im Tal. Darauf konnte er sich stützen. Darauf konnte er die Energie des Kollektivs lenken. Dankbar nickte er Rigel zu. Und dabei war er auf eine Auseinandersetzung gerüstet gewesen! Plötzlich erschien ihm seine eigene Einstellung unehrlich, unkameradschaftlich, hinterhältig. Na ja, das war wohl auch übertrieben; aber stand er nicht wirklich in einer etwas zwielichtigen Position seinen Gefährten gegenüber? Wollten sie denn etwas anderes als er? War er selbst wirklich derjenige, der es besser wußte? Ging er nicht schon zu sehr mit Argwohn und Vorurteil an alle Vorschläge und Gedanken der anderen heran?
    Andererseits: Als Organisator mußte er tagtäglich Dutzende von Einzelheiten entscheiden, wichtige und unwichtige, vor allem aber doch solche, bei denen sich die Entscheidung nicht aus Grundsätzen herleiten ließ und schon gar nicht aus vollständiger Information über den Sachverhalt; also brauchte er, um überhaupt entscheiden zu können, gewisse Leitlinien, gewisse selbst gesetzte Grenzen und Richtungen, und die waren zwar vorläufig und widerrufbar, aber wenn sie Sinn haben sollten, mußte man sie genauso nachhaltig verteidigen und durchsetzen wie die heiligsten Prinzipien der Menschheit. Und eben das tat er doch, das war seine Aufgabe, seine Pflicht. Sache der anderen war es, Ideen zu finden, ohne immerzu an diese Grenzen zu denken; seine Sache war es, die Grenzen zu behüten, dazu war er der Organisator. Oder nicht? Oder war diese Vorstellung auch schon zu einseitig, zu sehr von dem Wunsch erzeugt, seine Position zu verteidigen?
    Toliman merkte jetzt, wie sehr er sich verhedderte - so wurde alles nur immer unklarer. Nein, es war wohl doch richtig, den bewährten Kurs weiter zu verfolgen. In ein paar Tagen würde es wieder ausreichend zu essen und auch Wasser geben, dann würden die Spannungen schon nachlassen. Trotzdem nahm er sich vor, besser hinzuhören, wenn die andern ihre Gedanken aussprachen, mehr zu fragen als zu urteilen, die andern selbst zu klaren Ergebnissen kommen zu lassen, denn: selber denken macht klug!
    Da rief Gemma nach ihm. Er drehte sich um, auch Rigel blickte in die gleiche Richtung, dann sprangen sie auf und liefen los: Gemma stützte Mira, die sich, man sah es an beider Bewegungen, kaum auf den Beinen halten konnte.
    Es sei nicht schlimm, beteuerte Mira, ein bißchen übel sei ihr, ein bißchen schwindlig, etwas fiebrig auch. Auf gar keinen Fall wolle sie, daß sich nun alles um sie drehe. Sie brachten sie ins Schiff, und Gemma blieb bei ihr.
    »Und wie geht’s dir wirklich?« fragte Gemma, als die andern gegangen waren.
    In Miras Gesicht standen Schweißtropfen, und ihre Zähne klapperten aufeinander.
    »Siehst du doch!« flüsterte sie mühsam.
    Gemma wischte ihr das Gesicht ab und versuchte sie zu trösten. Was sollte sie sonst tun - ohne Computer, und noch dazu auf einem fremden Stern! Freilich, sie konnte Mira etwas eingeben, das das Immunsystem aktivierte - aber wenn es sich nun nicht um eine Infektion handelte, sondern um einen Komplex von Auswirkungen der verminderten Schwerkraft, der veränderten Lichtverhältnisse und des verkürzten Tagesrhythmus? Übelkeit, Schwindel, Schweiß - das konnten ebensogut die Folgen innersekretorischer Veränderungen sein, und dann bestand die Gefahr, daß das Immunstimulanz den Zustand verschlimmerte.
    War es denn wirklich so unmöglich, den Medicom in Betrieb zu nehmen? Er mußte sich doch herauslösen lassen, herausschalten aus der Gesamtanlage. Oder man mußte eben kurzfristig den hohen Stromverbrauch in Kauf nehmen. Und so hoch war der ja gar nicht.
    »Nein, nein«, flüsterte Mira, »das wird schon vorbeigehen, laß mal den Computer aus!«
    Schon mittags, als sie die ersten Anzeichen der Erkrankung gespürt hatte, war ihr klargeworden, welche Belastung das für Toliman bedeuten würde. Hatte er seinerzeit bei Gemma die Einschaltung abgelehnt, so mußte er es nun bei ihr erst recht tun, aus vielen Gründen - einmal war Gemma, die dafür Zuständige, gesund und einsatzbereit, während sie damals selbst krank gewesen war; zum andern durfte er nicht die Meinung aufkommen lassen, er sei diesmal nachgiebiger, weil es sich um sie, Mira, handelte; und drittens würde ihre Krankheit, so glaubte Mira, ihm trotz seines ausgeprägten Organisationstalents und seines entsprechenden

Weitere Kostenlose Bücher