Lektionen der Leidenschaft: Roman (German Edition)
doch erst siebzehn, achtzehn?« Oder sechzehn?
» Siebzehn.«
» In Ihrem Alter war ich schrecklich anzusehen. Wie eine Vogelscheuche.« Eine glatte Lüge, aber das ließ sich kaum überprüfen. Selbst Thomas Armstrong schien diese barmherzige Schwindelei gutzuheißen. Zwar sagte er kein einziges Wort, schaute sie jedoch nachdenklich an.
» Das glaube ich keine Sekunde. Ich dachte vielmehr…« Sarah brach ab, als ihre Schwester ihr einen warnenden Blick zuwarf.
» Da können Sie jeden fragen.« Obwohl es außer ein paar Bediensteten niemanden zu fragen gab. Bis zum vergangenen Jahr lebte sie schließlich sehr isoliert auf dem Landsitz der Familie und hatte nur eine einzige Freundin, mit der sie sich unterhalten konnte.
Dorothy Roland schaute sie jetzt fast ehrfürchtig an. So als könne sie die angebliche Verwandlung vom hässlichen Entlein zum stolzen Schwan kaum fassen. Und dass diese Schönheit eine Vogelscheuche gewesen sein sollte, schien ihr vollends unbegreiflich. Trotzdem wollte sie es nur zu gerne glauben.
» Schauen Sie mich jetzt an, ich habe meine zweite Saison hinter mir und immer noch keine Heiratsaussichten.« Was rein technisch gesehen der Wahrheit entsprach, wenn man ihren Vater fragte. » Sie sind sehr jung und haben noch viele Jahre Zeit, einen Mann zu finden, der Ihre Zuneigung verdient.«
» Ja, meine Liebe, noch jede Menge Zeit«, wiederholte ihre Mutter, die sich endlich aus der Erstarrung gelöst hatte. » Ich bin überzeugt, dass Thomas sich glücklich schätzen wird, dich in der nächsten Saison einigen seiner Freunde vorzustellen. Ich glaube, Lord Alex ist noch nicht gebunden. Und so attraktiv.«
Der Viscount, der gerade sein Glas zum Mund führte, verschluckte sich auf der Stelle an seinem Wein und bekam einen Hustenanfall. Amelia lächelte und aß seelenruhig weiter.
Drei Gänge und anderthalb Stunden später erhoben sich die Damen, um im Salon einen Tee zu trinken. Die Einladung, sich ihnen anzuschließen, lehnte Amelia freundlich ab. Es war ein ungewohnt langer Tag für sie gewesen. Sie sehnte sich danach, allein und in ihrem Schlafzimmer zu sein.
» Lady Amelia, dürfte ich Sie kurz sprechen, bevor Sie sich zurückziehen?«, rief Lord Armstrong ihr nach, als sie das Esszimmer verlassen wollte.
Amelia hielt inne. Ihr wurde flau im Magen, als die anderen in der Halle verschwunden waren. Zögernd drehte sie sich um und stellte fest, dass er langsam zu ihr kam und erst stehen blieb, als er nahe bei ihr war– viel zu nahe. Sein provozierend männlicher Duft schwebte berauschend um ihre Nase. Ruhig stand sie da, während seine grünen Augen über ihren Körper glitten und ihr Herz wie verrückt klopfen ließen.
Seine Nähe versetzte sie in Unruhe, aber sie bemühte sich nach Kräften, das zu verbergen. Amelia zog eine Braue hoch und versteckte ihre Nervosität hinter einem betont gelassenen Gesichtsausdruck. » Kann das nicht bis morgen warten?«
» Nein. Lassen Sie uns ins Arbeitszimmer gehen.« Ohne weitere Erklärungen wandte er sich zur Tür. Als er registrierte, dass sie sich nicht rührte, blieb er stehen und warf ihr über die Schulter einen Blick zu. » Brauchen Sie eine schriftliche Einladung?«
Sein Sarkasmus half ihr, die aufgepeitschten Sinne zu besänftigen und den hämmernden Herzschlag zu beruhigen. Jenseits seiner vielgepriesenen Attraktivität war der Mann einfach nur unerträglich.
» Gut«, schnappte sie, » aber beeilen Sie sich. Ich möchte heute Nacht gerne tief und fest schlafen. Morgen muss ich nämlich schrecklich früh aufstehen. Der Hausherr ist furchtbar pingelig, wenn es um Pünktlichkeit geht.« Sie hob den Saum ihres Seidenrocks an und rauschte an ihm vorbei.
Mit langen, wütenden Schritten erreichte sie vor ihm das Arbeitszimmer. Er folgte ihr mit hochgezogenen Mundwinkeln, die ein Lächeln andeuten sollten. Lässig durchquerte er das Zimmer, blieb bei der Anrichte stehen und schenkte sich einen Drink ein.
Sie war fest entschlossen, Haltung zu bewahren, und wartete wortlos ab, während er einen Schluck aus seinem Glas nahm. Schließlich drehte er sich um und kam zu Amelia, die immer noch stocksteif dastand.
» Um Viertel vor sieben bin ich noch einmal ins Arbeitszimmer zurückgekehrt und habe Sie nicht mehr vorgefunden«, sagte er leise und emotionslos.
Was stand hier eigentlich zur Diskussion? Dass sie sich bei seiner Rückkehr nicht im Zimmer aufgehalten hatte? Der Kerl war einfach unmöglich. » Und was wollen Sie damit andeuten?«
Er
Weitere Kostenlose Bücher