Lektionen der Leidenschaft: Roman (German Edition)
bloßstellen? Da musste er sich allerdings mehr Mühe geben. Außerdem hatte sie nichts geäußert, was nicht der reinen Wahrheit entsprach.
» Ganz sicher, falls es tatsächlich unmöglich ist, besagter Lady zuzustimmen. Bedauerlicherweise kann ich den Vorfall nicht bezeugen, sodass ich nicht weiß, unter welchen Umständen jene Lady Sie, äh, beleidigt hat, wie Sie behaupten. Und da Sie uns nicht darüber aufgeklärt haben, welche Worte genau gefallen sind, wäre es unangemessen, meine Meinung zu äußern.«
» Seien Sie versichert, dass die Lady tatsächlich beleidigende Worte von sich gab.« Sein Blick war so eindringlich, dass er beinahe ein Loch in ihre Haut gebrannt hätte.
» Nun, bevor ich die Lady verurteile, würde ich gerne hören, wie sie selbst den Vorfall einschätzt. Es gibt immer zwei Seiten einer Medaille, wie Sie wissen«, bemerkte Amelia und löffelte ein wenig von ihrer Suppe.
Am Tisch herrschte Schweigen. Amelia tat, als würde sie die gespannten Blicke der anderen nicht bemerken, die zwischen ihr und dem Viscount hin und her flogen.
» Wie gut zu wissen, dass Sie, Thomas, ein Gentleman mit gutem Geschmack und von treffsicherem Urteil, die feineren, weniger offensichtlichen Eigenschaften einer Frau zu schätzen wissen«, schmeichelte Mrs. Roland ihm lächelnd, während sie wie ein Raubtier darauf wartete, zum finalen Sprung auf die Beute anzusetzen.
Alles fügte sich nahtlos– dass sie erst die ausgezeichneten Manieren ihrer Tochter betonte und dann ein Loblied auf Lord Armstrong anstimmte. Mrs. Roland wollte den Viscount für ihre Tochter. Rotkäppchen und der böse Wolf, dachte Amelia.
Und fühlte sich plötzlich verpflichtet, solch hehrem Ziel zum Erfolg zu verhelfen. Wollen wir doch mal sehen, wie es ihm gefällt, wenn der Spieß umgedreht wird.
» Ja, in dieser Hinsicht ist Lord Armstrong wahrhaft bemerkenswert. Ich bin mir recht sicher, dass er nach einer Frau Ausschau hält, die genau wie Miss Roland ist. Und noch etwas: Ich wage die Vermutung, dass er nicht weit in die Ferne schauen muss.« Amelia blickte mit Unschuldsmiene in die Runde.
Im Kristallleuchter über ihnen brannten mindestens vier Dutzend Kerzen. An den Wänden spendeten Gaslampen Licht, und auf dem Tisch standen zwei Kerzenleuchter. Aber Mrs. Rolands Lächeln strahlte heller als alles Licht zusammen, bloß die anderen verharrten reglos.
» Ich muss sagen…«
» Wie nett, dass Sie Ihre Fähigkeiten als Heiratsvermittlerin unter Beweis stellen wollen, Lady Amelia«, mischte Lord Armstrong sich ein, bevor Mrs. Roland weitersprechen konnte. » Wie auch immer, ich kenne Dorothy seit ihrer Kindheit, ja sogar schon aus der Zeit, als sie noch ein Baby war. Für mich ist sie wie eine weitere Schwester, und ich bin überzeugt, dass sie genauso empfindet.«
Die Viscountess lächelte schwach, schien erleichtert, dass ihr Sohn die heikle Angelegenheit so taktvoll erledigt hatte. Seine Schwestern wechselten einen Blick, den Amelia nicht zu schlüsseln vermochte, während Dorothy scheinbar ergeben nickte. Ihre Mutter allerdings sah die Beute, die sie bereits sicher geglaubt hatte, urplötzlich entschwinden. Endgültig. Die freundlichen, dabei unmissverständlichen Worte von Thomas machten sämtliche Hoffnungen zunichte.
Amelia empfand mit einem Mal Reue und Scham. In ihrem Eifer, Armstrong zu blamieren, war sie eindeutig zu weit gegangen. Verdammt noch mal, er hatte schließlich mit dieser unsäglichen Die-Schönheit-die-sich-als-Schreckschraube-entpuppt-Geschichte angefangen! Und nur deshalb spiegelte sich jetzt eine Mischung aus zerbrochenen Hoffnungen und vergeblichen Träumen auf Mrs. Rolands Gesicht.
» Nun, wenn nicht der Viscount, dann wird sich ein anderer Gentleman über das Privileg freuen, Miss Roland heimzuführen«, sagte Amelia in einem schwachen Versuch, die Zurückweisung zu mildern und ihren Fauxpas auszubügeln.
Das Mädchen war doch höchstens siebzehn und hatte noch ein paar Jahre Zeit, ein wenig an Ausstrahlung und Rundungen zuzulegen, und dann fanden sich bestimmt Männer, die um sie warben, denn sie besaß einen klaren Teint und recht regelmäßige Gesichtszüge. Auch wenn sie nie eine Schönheit würde, war sie doch ganz und gar nicht abstoßend. Und eine ordentliche Mitgift tat sicherlich das Übrige, damit sie auf dem Heiratsmarkt bestehen konnte.
» Meinen Sie wirklich?«, fragte Dorothy Roland, in der Stimme einen schwachen Hoffnungsschimmer.
» Andernfalls würde ich es nicht sagen. Sie sind
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