Lektionen der Leidenschaft: Roman (German Edition)
heute zu einem Fest eingeladen hat?«
Amelia wusste, worauf er anspielte, und bedachte ihn mit einem leeren Blick.
» Ihre Frisur, Ihr Kleid: Ist das nicht alles ein bisschen elegant für das hier?« Er machte eine Handbewegung, die das Arbeitszimmer umfasste. Ihr Reich für den Moment, der einzige Platz, der ihr zustand.
War es da nicht gleichgültig, dass sie Hélènes Brennschere genommen hatte, um sich ein paar Locken ins Haar zu zaubern?
Rein äußerliche Schönheit mag dem Auge schmeicheln, reicht aber nicht aus, um meine Aufmerksamkeit zu fesseln.
Selbst wenn das blassviolette Seidenkleid mit dem gekräuselten Band als Besatz vielleicht tatsächlich besser zu einem festlichen Abendessen passte– na und? Es war schließlich kein Verbrechen, dass sie es tagsüber trug.
Sie könnten mich niemals verlocken.
Sosehr sie sich auch einzureden versuchte, dass ihre Kleidung völlig in Ordnung sei, fühlte sie sich bis auf den Grund ihrer Seele durchschaut, einschließlich ihres verletzten Stolzes. Zudem spürte sie dunkel, dass er sich über sie amüsierte.
Der Himmel möge mir beistehen, sollte ich jemals eine Tochter bekommen, die Ihnen ähnlich ist.
Er ließ sie noch einen kleinen Moment schmoren, bevor er auf dem Absatz kehrtmachte und zum Schreibtisch eilte. » Bevor Sie sich an Ihrem Tisch einrichten, brauche ich noch einen Kaffee.« Er warf ihr die Bemerkung mit einer Lässigkeit zu, die wohl den Eindruck vermitteln sollte, dass solche Bitten künftig zu ihrem Alltag gehörten.
Amelia schüttelte unmerklich den Kopf. Ihm den Kaffee holen? War er jetzt etwa vollkommen verrückt geworden?
Er schien ihr Widerstreben zu spüren. » Warum sollte ich mich selbst darum kümmern, wo ich doch Sie habe?«, sagte er und setzte sich an seinen Schreibtisch.
» Warum soll ich den Kaffee holen, wenn Sie ein ganzes Heer von Dienstboten beschäftigen, zu deren ausdrücklichen Aufgaben es gehört, Ihnen jeden Wunsch von den Augen abzulesen?« Mittlerweile, fand sie, war seine kleinliche Rachsucht auf einem Niveau angelangt, das selbst ihn beschämen sollte.
Armstrong antwortete nicht sofort, sondern kramte stattdessen demonstrativ auf seinem Schreibtisch herum. » Ich möchte ganz einfach, dass Sie sich darum kümmern«, antwortete er schließlich zerstreut, » Mr. Wendels Sekretärin bringt ihm jeden Morgen seinen Kaffee. So ungewöhnlich ist das also gar nicht.«
» Es interessiert mich nicht besonders, was in Mr. Wendels Büro passiert«, stieß sie mit zusammengebissenen Zähnen hervor.
Thomas Armstrong hob den Kopf und schaute sie an. » Da haben Sie recht. Im Moment sollten Sie sich nur für eines interessieren, nämlich für meinen Kaffee. Mit zwei Stückchen Zucker und einem kleinen Spritzer Sahne. Damit wir uns nicht falsch verstehen, Amelia… Das ist keine Bitte.« Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Wirrwarr auf dem Schreibtisch zu, sodass ihr nichts anderes übrigblieb, als seinem Wunsch nachzukommen.
Amelia verfluchte ihn lautlos. Verdammt noch mal, was sollte sie anderes tun, als ihm zu gehorchen? Sämtliche Vorteile waren auf seiner Seite. Es war sein Anwesen, seine Familie– alles gehörte ihm. Und sie war nichts als ein Dienstbote, der als Gast deklariert wurde. Und das alles nur, weil sie sich das Recht herausnahm, einen eigenen Willen und ein eigenes Leben zu beanspruchen.
Obwohl es sie große Mühe kostete, nicht in seine Richtung zu schauen, spürte sie seinen Blick in ihrem Rücken, als sie das Zimmer verließ. Jede Faser in ihr weigerte sich gegen diese Demütigung und die Verletzung ihres Stolzes.
In der Halle entdeckte Amelia den Butler, einen mürrischen, beleibten Mann mit ergrautem Haar, der ihre Frage nach Kaffee mit einem tonlosen » Ja, Ma’am« beantwortete und einen Lakaien in die Küche schickte. Die Verwirrung fing erst an, als sie darauf beharrte, das Tablett selbst ins Arbeitszimmer zu tragen. Die beiden Bediensteten nickten und wechselten irritierte Blicke, aber schließlich signalisierte der Butler sein Einverständnis, und der Lakai händigte ihr das Tablett aus.
Als sie wieder eintrat, herrschte immer noch Schweigen. Lord Armstrong hatte seine Tätigkeit unterbrochen und beobachtete mit verschlossener Miene, wie sie näher kam. Falls sie wirklich so ungebärdig war, wie man ihr nachsagte, dann würde der Kaffee bald auf seinem Jackett landen.
Was dann geschah, war wie die Generalprobe einer Posse im Theater Ihrer Majestät. In dem Versuch, zwischen all dem
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