Lelord, Francois
und einen funkelnden Blick. Während sie sich mit Lek und Nok zu unterhalten
begann, stellte Brice die beiden Männer einander vor.
»Ah,
Psychiater«, sagte James. »Damals habe ich so einige kennengelernt. Manchmal
haben sie uns wirklich geholfen.«
Hector begriff,
dass James in diese Stadt gekommen war, als in der Nähe ein berühmter Krieg
getobt hatte. Dabei hatten sich die beiden Großen Bruderländer und die freie
Welt gegenübergestanden, aber ausgetragen hatten sie alles über ein kleines
Land, das auf diese Weise selbst berühmt geworden war, aber auch sehr gelitten
hatte. James übte damals - Hector war da noch ein kleiner Junge - ungefähr den
gleichen Beruf aus wie Jean-Marcel. Die Bombenflugzeuge der freien Welt waren
nicht weit von hier gestartet und hatten die Täler, die zwei Grenzen weiter
lagen, mit Bomben zugeschüttet. Damit es sich richtig lohnte, hatten sie auch
noch Entlaubungsgifte eingesetzt. Aber die freie Welt war dieses Krieges
überdrüssig geworden; in einer Demokratie läuft das halt so - wenn die meisten
Leute den Krieg nicht mehr wollen, dann hört man damit auf. In einer Diktatur
aber ist der Krieg erst beendet, wenn die meisten Leute umgekommen
sind. Die beiden Großen Bruderländer und ihre Freunde hatten das kleine Land
geschluckt und zwei seiner Nachbarn gleich mit, und mehrere Millionen Menschen
hatten diese Große Sozialistische Befreiung mit ihrem Leben oder ihrer
Freiheit bezahlt.
James aber
hatte beschlossen, in dieser Gegend der Welt zu bleiben, statt in sein
Heimatland zurückzukehren und sich dort anspucken zu lassen. Offensichtlich
hatte er sich an das hiesige Leben gut gewöhnt, und dann kapierte Hector: James
war der Inhaber des Pubs! Aber weshalb hatte er keine texanische Bar
aufgemacht, sondern einen englischen Pub?
»Meine
Mutter war Engländerin«, sagte James. »Mein Vater hat sie kennengelernt, als er
nach dem Krieg dort stationiert war.«
Hector verstand,
dass er vom ersten der beiden Weltkriege sprach. Er musste an eine amüsante
psychologische Studie denken: Für die amerikanischen Soldaten gehörte es damals
so ziemlich an den Anfang eines Flirts, das Mädchen zu küssen, während es für
die jungen Engländerinnen die letzte Etappe darstellte, bevor es richtig zur
Sache ging. Mit dem Ergebnis, dass die amerikanischen Piloten die Welt nicht
mehr verstanden - sie fanden die jungen Engländerinnen erst schrecklich prüde
und dann mit einem Mal schrecklich leicht zu erobern, während sie den Frauen zunächst
unglaublich rüpelhaft vorkamen und dann plötzlich wie schüchterne Jungs, die
nicht wussten, was sie wollten. Aber die Eltern von James hatten diese
interkulturellen Hürden offenbar übersprungen, was (wie Hector dachte, als er
sah, dass James und Bee wie ein glückliches Paar wirkten) ihren Sohn dafür
prädisponiert hatte, sie zu überspringen. James fragte Hector, wozu er in
dieser Region war.
»Ich
möchte ein paar ethnische Minderheiten aufsuchen«, sagte Hector. »Ich
interessiere mich dafür, ob Leute, die keinen Fernseher haben, glücklicher
sind.«
»Na, da
sollten Sie sich aber beeilen«, meinte James. »Ein schönes Thema ist es ja.
Welche Minderheiten genau wollen Sie besuchen?«
Und Hector
ließ schnell den Namen jenes Volksstammes fallen, den Valerie ihm genannt
hatte. James musterte Hector genau.
»Wirklich
interessant«, sagte er, und Hector merkte, dass er ihm seine Geschichte mit der
Glücksforschung nicht abnahm.
»Ich kenne
diese Leute gut«, sagte James. »Während der japanischen Besatzung standen sie
auf unserer Seite - und in meinem Krieg dann auch wieder. Wir haben sie
irgendwie fallen lassen, die Armen.«
Dann
wechselten sie das Thema, Lek und Nok teilten sich ein Stück Zitronenkuchen,
James und seine Frau tranken Mekong-Whisky und unterhielten sich mit Brice,
und man hätte fast den Eindruck gewinnen können, dass sechs Freunde an einem
Tisch saßen.
Hector vergleicht sich
Der Schein der Neonreklamen von den Bars direkt gegenüber
zeichnete so etwas wie ein Polarlicht an die Decke von Brice' Wohnzimmer.
Verstreut im Raum standen Objekte, die er auf seinen Reisen durch Asien
zusammengetragen hatte - birmanische Buddhas aus Alabaster, indonesische
Statuen aus unbehandeltem Holz, eine mandschurische Opiumpfeife, diverse Halsketten,
die Hector an jene der jungen Frauen auf Edouards Foto erinnerten. Alles wirkte
aber ein bisschen unordentlich und einfach an den Wänden entlang abgestellt,
ganz wie in der
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