Lelord, Francois
Lady
sacht hin und her. Die Sängerin war in den Zustand eines von Panik ergriffenen
Kindes zurückgefallen, und solch eine unerschütterliche Bemutterung konnte Hector
ihr nicht bieten.
In diesem
Moment überkam ihn die Müdigkeit, und Maria-Lucias besänftigendes Gemurmel gab
ihm den Rest. Hector versank in einen Schlaf.
Hector hat einen Traum
Er
träumte, dass er auf dem Rücken eines Elefanten durch eine weite Ebene
streifte, die bis zum Horizont mit Pagoden gesprenkelt war. Anders, als Valerie
prophezeit hatte, spürte er kein Ruckeln und Schaukeln, aber das war auch nicht
verwunderlich, denn der Elefant schwebte mehrere Meter über dem
grasbewachsenen Boden. Hector wandte sich um und erblickte hinter sich im
Reitkorb einen alten General in Uniform und mit großer Schirmmütze und dunkler
Sonnenbrille. Der General lächelte ihm zu. Hector begriff, dass er den Elefanten
führen sollte, und das machte ihm schreckliche Angst, denn er wusste ja, dass
er davon überhaupt keine Ahnung hatte. Und plötzlich wurde die Sonne am Himmel
gleißend hell...
Eine
Taschenlampe leuchtete Hector in die Augen.
Er vernahm
unverständliche Worte, und um ihn herum spürte er die schweren Schritte
mehrerer Männer. Aber dann half man ihm ziemlich behutsam auf.
»Hector!«
Das war
Valeries Stimme, die von draußen kam. In diesem Augenblick knipste Maria-Lucia
auf ihrer Matte eine große Taschenlampe an, und Hector sah sich von drei
Männern umgeben, die ganz schwarze Sachen mit roten Ärmelaufschlägen trugen,
außerdem Sturmgewehre. Zwei von ihnen hatten goldene Schneidezähne, und das von
unten zu ihnen heraufscheinende Licht verlieh ihrem Lächeln etwas Dämonisches.
Die Lady
saß auf ihrer Matte und beobachtete das Schauspiel mit Interesse, Maria-Lucia
wirkte beunruhigt.
Auf dem
Treppenabsatz wurde Valeries Schatten sichtbar. »Sie nehmen uns mit.«
»Das hatte
ich schon verstanden.«
»Go with me«, sagte
einer der Männer und ließ seine goldenen Schneidezähne wieder zum Vorschein
kommen. »Edouard?«, fragte Hector.
»Idwa, yes! Idwa!«
Die
anderen nickten zu diesen Worten und schienen begeistert zu sein, dass die
Verständigung so gut funktionierte. Hector wandte sich der Lady und
Maria-Lucia zu: »Tut mir wirklich leid, aber wir gehen mit ihnen mit. Wir
müssen einen Freund besuchen.«
Er sah,
wie in den Augen der Lady Panik aufblitzte.
»Sie
reisen ab? Sie lassen mich hier allein?«
»Hören Sie
...«
Die Lady
fuhr auf wie ein zorniger naga. »Das
können Sie nicht mit mir machen!«
Die drei
Varak Lao schauten sie an, und selbst sie merkten, dass diese weiße Frau anders
als die Übrigen war. Vielleicht spürten sie ja den naga in ihr -
die Riesenkobra, die einst Buddha beschützt hatte, indem sie ihre Haube über
ihm aufgespannt hatte. Für diese Leute gehörten Reinkarnationen und Geister
zum Alltag.
»Ich komme
mit!«, rief die Lady. »I go with you!«
»Aber das
geht nicht«, sagte Hector.
»Doch,
natürlich. Hier habe ich sowieso nichts mehr zu tun.«
»Es ist
unmöglich, es ist verboten! Sie dürfen uns nicht folgen ...«
Aber an
der verschreckten und demütigen Haltung der Varak Lao konnte er ablesen, dass
die Schlacht schon verloren war. Er musste an ein Kriterium aus der Definition
der Borderline-Persönlichkeit denken: Neigung zu impulsivem Verhalten, mit
dem sie sich in Gefahr bringen kann.
Es war,
als habe Hector es vorausgeträumt. Die Varak-Lao-Krieger führten ihn und seine
Freunde ans Ende des Dorfes, und dort warteten im bleichen Licht des
Morgengrauens drei Elefanten. Mit ihren Rüsseln streiften sie vorsichtig
Früchte von einem Baum. »Tamarinden«, erklärte Valerie, »Elefanten sind ganz
verrückt danach.«
Auch Pater
Jean stand bei ihnen. »Ich wollte sie auffordern, so rasch wie möglich wieder
zu gehen«, meinte er. »Die K'rarang haben große Angst vor den Varak Lao.«
Man hörte
kein Geräusch, das Dorf lag wie ausgestorben da.
»Wir
machen uns auf den Weg zu unserem Freund«, sagte Brice.
»Ich
weiß«, sagte Pater Jean, »aber ist Ihnen eigentlich klar, dass Sie die Grenze
völlig illegal überschreiten werden?«
»Sie haben
doch gesagt, das machen alle so.«
»Die
Einheimischen ... Möchten Sie, dass ich im Falle eines Falles Ihre Botschaft
benachrichtige?«
»Die
Botschaft? Nein.« Und Hector reichte Pater Jean einen Zettel mit dem Namen und
den Kontaktdaten von Jean-Marcel. »Aber benachrichtigen Sie ihn bitte nur,
wenn wir nicht zurückkehren oder
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