Lelord, Francois
unstillbaren Appetit auf jede Form des Rausches.
»Brice!«
Brice
öffnete die Augen, aber wie Edouard, wenn er aus seiner Meditation trat,
schien auch er Hector erst nicht zu erkennen.
»Ah,
Hector ... Alles in Ordnung?«
»Ja ...
oder eigentlich nein.«
Hector
reichte ihm das Walkie-Talkie. »Hier, Leutnant Ardanarinja möchte dich
sprechen. Ich glaube, ihr kennt euch.«
»Leutnant
Ardanarinja?!« In Brice' Blick konnte man die Panik deutlich lesen. »Aber
woher sollte ich die denn kennen?«
Die Leute
beim Aufwachen zu überraschen, war überall auf der Welt ein beliebter Trick der
Polizei. Und er funktionierte tatsächlich!
»Du kennst die nicht? Woher weißt du denn, dass Leutnant Ardanarinja eine
Frau ist?«
Langsam
dämmerte es Brice, dass ihn seine Worte und mehr noch seine Angst bereits
verraten hatten. Trotzdem versuchte er, den Empörten zu spielen. »Hör mal, ich
weiß gar nicht, wovon du sprichst! Du reißt mich einfach so aus dem Schlaf und
redest von Leuten, die ich nicht kenne - was ist eigentlich in dich gefahren?«
»Ich habe
mit Pater Jean telefoniert.«
Brice
entgegnete nichts. Er sah Hector fassungslos an, als würde er miterleben, wie
sein Freund langsam verrückt wird.
»Ich habe
ihn gebeten, die Nummern zu überprüfen, die du von seinem Satellitentelefon aus
angerufen hast. Zwei davon kannte ich nicht, vielleicht waren es die von Lek
oder Nok. Aber eine kenne ich sehr gut - die einer schönen Offizierin ...«
Brice
schloss die Augen, und Hector rechnete damit, dass er versuchen würde,
aufzuspringen und wegzurennen. Einen Moment lang stellte er sich vor, wie er
sich dann mit Brice prügelte, und wütend, wie er war, hoffte er beinahe, dass
es so weit käme. Wütend darüber, wie Clara bedroht worden war, wütend über
Edouards Verrücktheit und noch wütender über Brice' Verrat, der sie alle in
ernste Gefahr brachte.
Dann
schlug Brice die Augen wieder auf. »Bitte verzeih mir«, sagte er.
Hector
fand, dass sich sein Leben nicht gerade zum Besseren wendete: Erst hatte ihn
alle Welt zur Vorsicht ermahnt, und jetzt baten ihn ein paar zu viele seiner
Freunde um Entschuldigung!
Brice'
Geständnis war ohne Umschweife. Er hatte kein Geld mehr gehabt. Seine
Vergnügungen (oder vielmehr seine Beiträge zur Verbesserung der Lebensumstände
von Nummerngirls) hatten die Summe, die er aus seinem Prozess und seiner
Scheidung hinübergerettet hatte, rapide zusammenschmelzen lassen. Er hatte
sich in diversen Dingen versucht - einem französischen Restaurant, einem
Antiquitätenladen -, aber offensichtlich hatte ihn sein Geschäftssinn
verlassen, oder er funktionierte nicht an diesem Ende der Welt. Schließlich
hatte Brice verloren, was ihm geblieben war. Er konnte sich nicht vorstellen,
nach Europa zurückzukehren, und wo hätte er dort auch praktizieren können? Da
hatte er ernsthaft darüber nachzudenken begonnen, mit allem Schluss zu machen.
Niemand brauchte ihn mehr, seine Kinder verabscheuten ihn für seinen Verrat an
der Familie, und abgesehen von seinen Gefährtinnen für ein, zwei Nächte hatte
er keine Freunde mehr und schon gar niemanden, auf den er hätte zählen können.
»Ich habe
mir gesagt, dass kein Mensch mich vermissen würde.«
Es sah so
aus, als ob Brice gleich losheulen würde, aber Hector konnte nur denken, dass
die Tränen ihn erweichen sollten. Einmal mehr hatte Brice gehofft, sich etwas
Gutes zu tun, ohne etwas Schlimmes anzurichten und ohne sich erwischen zu
lassen. Man musste Valerie zustimmen: Brice hatte viel von einem Kind an sich.
Leutnant
Ardanarinja - die auf Brice gestoßen sein musste, als sie Hectors oder Valeries
E-Mails nachgegangen war - hatte all das begriffen, und sie hatte Brice genug
Geld angeboten, dass er weiter den gewohnten Lebensstil pflegen konnte (und
damit die Sozialversicherung ein paar entlegener Dörfer finanzierte).
»Hast du
denn nicht an die Folgen gedacht?«
Brice
überlegte, die Antwort fiel ihm schwer. »Nein, irgendwie nicht. Du weißt ja,
das ist nicht gerade meine Stärke.«
»Mach mir
und vor allem dir selbst doch nichts vor! Was du getan hast, ist nichts
anderes, als einen Freund zu verraten!«
Brice fuhr
hoch, als hätte Hector ihn schwer beleidigt. »Einen Freund? Wer sagt dir, dass
Edouard mein Freund ist?«
»Ich
erinnere mich, dass du ...«
»Als ich
bis zum Hals in der Scheiße steckte, warst du der Einzige, der den Kontakt zu
mir aufrechterhalten hat!« Brice hatte sich regelrecht in Rage
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