Lelord, Francois
ihre Posten übernehmen, wird sich die Waage zu
unseren Gunsten neigen.«
»Krieg ich
jetzt einen Orden?«
»Den
weißen Elefantenorden am Band?«
Darüber
mussten sie beide sehr lachen, und dann fiel Hector ein Satz für sein
Notizbüchlein ein:
Beobachtung
Nr. 21: Ein Freund ist jemand, mit dem du
gerne und oft lachst.
»Trotzdem
ist es eine unglaubliche Geschichte«, sagte Jean-Marcel zum Schluss. »Diese
Länder sind die letzten magischen Weltgegenden.«
»Vielleicht
kann ich ja einen Roman daraus machen?«
Jean-Marcel
zögerte einen Augenblick. »Warten Sie lieber zwanzig Jahre, dann bin ich im
Ruhestand.«
Mademoiselle
Jung-In Park erwartete ihn zum Mittagessen. Hector sah, dass sie sich über das
Wiedersehen genauso freute wie er. Aber seit seiner keuschen Nacht mit Valerie
und dem letzten Telefongespräch mit Clara kam er sich außerordentlich
tugendhaft vor. Sie sprachen über die Kultur und die Poesie ihrer beiden
Länder, und Mademoiselle Jung-In Park fragte ihn, wo man in seinem Heimatland
am besten Philosophie studieren konnte.
»Und der
heilige Thomas von Aquin?«, hakte er nach. »Beim letzten Mal haben Sie mir
gesagt, dass er zum Thema Freundschaft eine andere Meinung hatte als
Aristoteles.«
»Ja,
natürlich. Thomas von Aquin spricht über Freundschaft in Zusammenhang mit der Caritas. Gott liebt
uns, wir lieben ihn, und Gott liebt alle seine Geschöpfe. Und wenn wir ihn
lieben, müssen wir auch alle seine Geschöpfe lieben - nach dem Prinzip, dass
die Freunde unserer Freunde auch unsere Freunde sind.«
»Also
können wir sogar Personen lieben, die nicht tugendhaft sind?«
»Genau. Und
sogar unsere Feinde, denn auch sie sind Gottes Geschöpfe. Wenn wir sie nicht
lieben, würden wir gewissermaßen unsere Freundschaft mit Gott beleidigen.«
»Aber das
finde ich in einem anderen Sinne ebenfalls ziemlich elitär: Man muss ein
Heiliger sein, um selbst seine Feinde zu lieben.« Oder man muss Idwa sein,
dachte er.
»Ach,
wissen Sie«, sagte Mademoiselle Jung-In Park, »die Philosophie gibt uns ein
Ideal vor, eine Richtung ...«
»Und was
ist Ihre Richtung?«
»Sagen
wir, mir hilft die Philosophie beim Nachdenken. Ich habe Freunde, die glauben,
sie hätten dreihundert Freunde auf Facebook ... Aristoteles sagt aber, dass es
schwierig sei, Freud und Leid von vielen Freunden zu teilen, und da stimme ich
ihm völlig zu. Andererseits hilft uns das Internet natürlich auch, den Kontakt
zu unseren wirklichen Freunden aufrechtzuerhalten ... Sind Sie eigentlich auf
Facebook?«, fragte sie Hector.
Eine
einzige Sorge hinderte ihn daran, das Mittagessen rundum zu genießen.
»Lassen
Sie uns in Kontakt bleiben«, hatte Jean-Marcel zum Abschied zu ihm gesagt. »Ich
informiere Sie, wenn ich Neuigkeiten von dieser Ardanarinja habe oder von dem
anderen Typen, diesem Harald.« (Das nämlich war der Vorname des Mannes mit dem
Furcht einflößenden Blick.) »Die haben jetzt keinen Auftraggeber mehr, und
Leute in dieser Lage interessieren uns ganz besonders.«
»Glauben
Sie, dass uns noch was Unangenehmes passiert? Mir oder meiner Familie?«
»A priori
nein. Das sind Profis, die rational vorgehen. Im Moment ist deren einzige Sorge
vermutlich, wieder irgendwo unterzukommen.« Aber dann hatte er hinzugefügt:
»Eine Garantie kann ich Ihnen allerdings nicht geben. Manchmal verhalten sich
die Leute eben nicht rational, und gerade Sie als Psychiater dürften das ja
wissen.«
»Allerdings«,
hatte Hector erwidert, und irgendetwas in ihm war sicher, dass er Leutnant
Ardanarinja nicht zum letzten Mal gesehen hatte.
Was diesen
Harald anging, so wäre Hector seinem Blick am liebsten nie wieder begegnet. Er
erinnerte sich, dass »Harald mit den Kinderlein« der Spitzname eines
Wikingeranführers gewesen war, der seine wilden Krieger eines Tages in Erstaunen
versetzt hatte: Er hatte ihnen verboten, die kleinen Kinder der eroberten
Städte zu durchbohren und mit ihnen auf den Lanzenspitzen herumzuparadieren,
obwohl das lange Zeit so Brauch gewesen war und allen Kriegsleute sehr viel
Spaß gemacht hatte. Ob sein moderner Namenvetter wohl ein wenig von der
Mildherzigkeit seines berühmten Vorgängers zeigen würde?
Hector geht ins Krankenhaus
Als Hector in der Stadt der Engel von Bord des Flugzeugs
gegangen war, schaltete er sein Mobiltelefon ein und fand eine Nachricht von
Brice vor, der ihn bat, zu ihm in ein Krankenhaus zu kommen. Im Taxi, das
durch die erleuchtete Nacht sauste - Neonreklamen,
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