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Lemberger Leiche

Lemberger Leiche

Titel: Lemberger Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Ramge
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durch die Sperre in den Abflugraum zu gehen. Sie hoffte, Leo würde noch auftauchen. Aber Leo kam nicht.
    Später, gleichzeitig mit der Durchsage, die den Flug nach Stuttgart aufrief, klingelte Irmas Handy.
    »Hallo, Leo«, sagte sie. »Schön, dich noch mal zu hören. – Wie? Du wärst zum Flugplatz gekommen, wenn du nicht im Stau stehen würdest? Da hätte ich mich riesig gefreut! Aber so kann man nichts machen. Ich dachte schon, du willst nichts mehr von mir wissen. – Warum? Weil ich dich und Line in Gefahr gebracht habe.«
    »Vergessen wir’s«, hörte sie Leo sagen. »Ich komme so bald wie möglich nach Stuttgart. Dann werde ich mich auf besondere Art bei dir bedanken, denn immerhin hast du gestern meine Bandscheiben gerettet, bevor Frau Kurtz Kleinholz daraus machen konnte.«
    »Und du hast meinen Hals gerettet, bevor sie ihn mir umdrehen konnte.«
    »Gern geschehen«, sagte Leo. »Ich liebe deinen Hals.«
    »Du bist mir also nicht mehr böse, Leo?«
    »Seit Line frei und okay ist, hab ich meinen Schock überwunden. Wenn ich mir vorstelle, dass du in deinem Job dauernd solchen Aufregungen ausgesetzt bist …«
    »Nicht dauernd, Leo. Nur manchmal.«
    »Pass auf dich auf.«
    Nach einem Flug unter blauem Himmel mit Traumsicht auf die Alpen landete die Condor pünktlich in Echterdingen.
    In der Halle wartete Moritz. Irma wurde neidisch, als sich Line und Moritz in die Arme flogen und das Schnäbeln kein Ende nehmen wollte. Moritz war mit dem Auto seines Vaters da und schlug vor, noch irgendwo in einer Kneipe auf das Wiedersehen anzustoßen. Aber Irma sagte, sie fühle sich total ausgepowert – was durchaus nicht übertrieben war. Sie verabschiedete sich von den beiden und nahm die nächste S-Bahn stadteinwärts.
    Irma war zu müde, um Genugtuung zu fühlen, dass ihre Mission auf Mallorca ein gutes Ende genommen hatte. Sie fühlte sich nur grenzenlos erleichtert, seit Line frei war. Brünnhilde Kurtz’ Schicksal interessierte Irma nicht mehr. Diese würde in den nächsten Tagen in Stuttgart ankommen und der deutschen Polizei übergeben werden. Schmoll würde ihr auf seine professionelle und bewährte Weise das Geständnis entlocken. Darauf würde sie der Staatsanwaltschaft und dem Haftrichter vorgeführt werden und bis zu ihrem Prozess in U-Haft verschwinden.
    Kurz nach ein Uhr nachts stieg Irma aus der letzten Straßenbahn, die zum Killesberg gefahren war. Sie schulterte ihren Rucksack für den Marsch zur Thomastraße und freute sich, nach den lauten Nächten in einem durchgelegenen Hotelbett, auf ihr eigenes.
    Aber das Bett in ihrer Wohnung war belegt. Mama schlief tief und fest und schnarchte wie ein Bernhardiner.
    »Mam, wieso bist du denn schon zurück?«, platzte Irma heraus, es klang viel lauter, als sie eigentlich wollte.
    Nach einem gurgelnden Abschlussschnarcher riss Mama die Augen auf. »Da bist du ja endlich!«, rief sie, nun hellwach. Dann setzte sie sich auf, klappte nach vorn wie ein Taschenmesser, bedeckte ihr Gesicht mit den Händen und heulte los.
    Irma fiel beim besten Willen nicht ein, was das zu bedeuten haben könnte. Sie fragte zwischen zwei Schluchzern: »Du wolltest doch zwei Wochen in Baden-Baden bleiben?«
    Mama hob den Kopf, wischte sich die Tränen am Bettzipfel ab und sagte vorwurfsvoll: »Ist das die Begrüßung meiner einzigen Tochter, wenn ihre Mutter zu Besuch ist?«
    »Ich bin halt überrascht. Ist Herr Jansen auch schon abgereist?«
    »Weiß ich doch nicht«, sagte Mama maulig.
    »Wieso weißt du das nicht? Ihr seid doch zusammen hingefahren, um gemeinsam Urlaub zu machen!«
    »Wellness!«
    »Dann eben Wellness. Aber nun rede mal Klartext. Da ist doch was schiefgelaufen?«
    »Alles ist schiefgelaufen. Ich hab’s vermasselt.« Mama seufzte und gähnte. »Können wir das nicht morgen besprechen? Ich bin müde.«
    Irma wurde energisch: »Erzähle! Was ist passiert?«
    Mama schob die Beine über die Bettkante. Sie fischte unterm Kopfkissen nach einem Taschentuch, putzte sich ausgiebig die Nase und begann mit allen zehn Fingern ihre Haare zu ordnen. Irma war klar, dass ihre Mutter mit diesen Manövern versuchte, ihre Beichte hinauszögern.
    »Gib mir mal den Bademantel, mien Deern«, sagte sie. »Und die Puschen, damit ich nicht auskühle.«
    Als Mama alles hatte, was sie wollte, gingen sie ins Wohnzimmer und setzten sich aufs Sofa.
    »So, jetzt los«, sagte Irma.
    Mama schnäuzte sich noch mal und rollte ihre vom Heulen verquollenen Augen zur Zimmerdecke. »Also, am Anfang war

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