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Lemberger Leiche

Lemberger Leiche

Titel: Lemberger Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Ramge
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alles himmlisch. Ich hab mich wie eine russische Großfürstin gefühlt. Überhaupt, weil wirklich viele Russen da waren – lauter steinreiche Leute.«
    »Komm zum Thema!«, sagte Irma.
    »Sitze ich hier in einem Verhör?«
    »Quatsch. Aber nun mal zu!«
    »Drei Tage lang war alles ganz toll! Wir spazierten jeden Tag auf der Promenade. Sehen und gesehen werden, weißt du. Wir saßen in schnuckeligen Cafés und machten Shoppingin der Fußgängerzone. Na, da sind vielleicht feine Geschäfte! Und Preise! Kai-Friedrich hat mir eine neue Handtasche gekauft.« Mama sprang auf. »Willst du sie anschauen?«
    »Jetzt nicht, Mam. Komm bitte endlich zum Wesentlichen!«
    »Einen Tag lang waren wir in den Caracalla-Thermen und haben ausgiebig gewellnesst. Ein Traumbad! Ich habe eine ganz anständige Figur gemacht in meinem neuen Badeanzug. Und Kai-Friedrich ist ja ein stattlicher Mensch – na ja, der Bauch, aber der steht ihm. Er isst eben gern was Gutes – sag mal, hast du was zu essen in deinem Rucksack? Ich habe schon tagelang nichts Rechtes zwischen den Zähnen gehabt.«
    »Aber der Eisschrank war doch leidlich gefüllt, bevor ich weggefahren bin! Soll ich uns ein Butterbrot machen? Nun krieg ich auch Hunger.«
    Mama druckste. »Der Eisschrank ist ratzeputz leer.«
    »Da hättest du ihn ja mal auffüllen können«, sagte Irma. »Du hattest doch Zeit, einkaufen zu gehen.«
    »Zeit genug«, sagte Mama. »Aber kein Geld.«
    »Kein Geld? Obwohl du die Reise so früh abgebrochen hast?
    »Ich hatte über 500 Euro dabei. Und eigentlich habe ich in Baden-Baden überhaupt nichts ausgeben müssen, weil Kai-Friedrich alles bezahlt hat. Ich meine das Hotel, Essen und Eintrittsgelder.«
    »Und wieso hast du dann kein Geld mehr?«, fragte Irma ungeduldig.
    »Das hab ich verspielt. Im Casino!«
    Das klang zwar stolz, aber Mama klappte wieder vornüber und heulte los.
    Irma seufzte. Ihr Magen knurrte. Die bleierne Müdigkeit hatte sich, wohin auch immer, verzogen. Sie war jetzt hellwach, aber in ihrem Kopf kreiste ein Ventilator, der ihre Gedanken wie Konfetti durcheinanderwirbelte. Irma hatteweiß Gott schon viele unglaubliche Dinge mit ihrer Mutter erlebt, aber das schien ein absolutes Highlight zu sein.
    »Jetzt hör auf zu flennen, Mam!«, fauchte sie. »Erzähl mir bitte, wie das passieren konnte!«
    Mama schniefte und begann zu erzählen: »Am dritten Abend, den wir in Baden-Baden verbrachten, führte mich Kai-Friedrich ins Casino. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie prunkvoll diese Spielsalons sind: Rote Teppiche, Wände und Decken mit vergoldeten Ornamenten verziert, und im Mittelpunkt die Spieltische. Alles unter den tausend Lichtern der Kristallkronleuchter.« Mamas Augen strahlten nun auch fast wie ein Kronleuchter. »Kai-Friedrich sagt, das exklusive und elegante Ambiente ist dem prunkvollen Stil der französischen Königsschlösser nachempfunden.«
    Bevor Mama für den nächsten Begeisterungsschwall Luft holen konnte, wurde sie von Irma energisch unterbrochen: »Das interessiert mich jetzt überhaupt nicht! Ich würde aber gern wissen, wieso du dein Geld verloren hast. Hat das Herr Jansen nicht zu verhindern gewusst? Er machte auf mich einen seriösen, vernünftigen Eindruck.«
    »Ja, das stimmt. Er hat mir ja auch nur ein Spiel erlaubt, weil ich es so gern ausprobieren wollte. Weißt schon, das Spiel, bei dem ich 186 Euro gewonnen hab. Ich hab dir doch am Telefon davon erzählt. Danach hat mir Kai-Friedrich regelrecht verboten zu spielen. Ich hab nur noch zusehen dürfen. Ich hätte stundenlang zusehen können! Du musst wissen, an diesem Abend saß da ein Russe oder vielleicht war es auch ein Pole – jedenfalls rollte er die Rs wie ein schnarchender Löwe – und der hat innerhalb einer halben Stunde 6000 Euro gewonnen, obwohl er anfangs nur 100 Euro eingesetzt hat. Du liebe Zeit, hab ich gedacht: Was der kann, kann ich auch.«
    »Aha«, sagte Irma. »Aber wie ich höre, hast du’s eben doch nicht gekonnt. Wie bist du eigentlich noch mal an den Spieltisch gekommen, wenn dein Kai-Friedrich es nicht wollte?«
    »Ich bin am nächsten Tag allein hingegangen! Als er seinen Mittagsschlaf gehalten hat. Auf seinen Mittagsschlaf hat er nämlich bestanden. Das brauche er zur Verdauung, hat er behauptet. Kann ja sein, weil wir immer sehr gut diniert haben.« Mama lächelte, leckte sich die Lippen und streichelte ihren Bauch.
    »Keine Abschweifungen!«, sagte Irma.
    »Jedenfalls hab ich mich weggeschlichen, hab dummerweise all

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