Lemberger Leiche
gemeinsam ihre Bank auszuräumen. Das war für beide zur fixen Idee geworden.
Brünnhilde seufzte, als sie von Schmolls Bass in die Gegenwart zurückgeholt wurde. Er fragte nach ihren finanziellen Verhältnissen.
Ohne zu stocken, versicherte sie, sie beziehe seit Jahren ein gutes Gehalt, habe ihr Geld günstig angelegt und besäße außerdem ein Haus.
Bei dieser Aussage verließ sie sich auf das Bankgeheimnis und dachte, die Polizei könne die wahren Tatsachen vorerst nicht aufdecken. In dieser Hinsicht hatte sie sich jedoch getäuscht, denn Schmoll erklärte ihr klipp und klar, die Staatsanwaltschafthabe bereits die Prüfung ihrer Konten angeordnet.
»Sie können sich Ihre Lügen sparen, Frau Kurtz. Wir sind voll im Bilde. Sie sind pleite! Oder muss ich sagen: Sie waren pleite?«
Als Brünnhilde merkte, wie ihr die Felle davonschwammen, zog sie die Karte, die sie in Reserve gehalten hatte.
»Ja, es stimmt«, sagte sie. »Ich wollte das nicht zugeben, weil ich mich schäme, mehr Geld ausgegeben zu haben, als ich hatte. Aber wenn Sie das nun schon wissen, kann ich Erik nicht mehr schonen, und Sie sollen die Wahrheit erfahren: Seit er eine Freundin hatte, hat er Unsummen ausgegeben oder beiseitegeschafft, was weiß ich. Als er merkte, dass ich kein Geld mehr hatte, stahl er mir die Schlüssel zur Bank und fand leider auch die Zahlenkombination für den Tresor. Das Resultat kennen Sie ja.«
Brünnhilde Kurtz hatte diese letzte Aussage langsam, fast bedächtig, aber auch sehr bestimmt vorgebracht. Nun schwieg sie einen Moment, als erwarte sie Mitleidsbekundungen.
Da sie ausblieben, fasste sie zusammen: »Erik hat meine Bankfiliale ausgeraubt. Zusammen mit seiner Freundin Bonnie. Das ist mir inzwischen klar geworden, denn in den Zeitungen stand ja, dass zwei Personen gesehen wurden.«
»Na, dann ist ja alles klar«, sagte Schmoll. »Wir fahren nachher in die Pathologie, und Sie, Frau Kurtz, werden uns sagen, ob es sich bei der Leiche des jungen Mannes, der dort auf Eis liegt, um Erik Raabe handelt. Bestimmt fällt Ihnen bei seinem Anblick ein, wie er umgekommen ist.«
Auf diese Ankündigung hin geriet Brünnhilde zum ersten Mal aus der Fassung. Sie zog eine Nummer ab, als sei ihr ein Kind gestorben. Und als sie damit fertig war, versuchte sie Schmoll zu überreden, ihr den Gang in die Pathologie zu ersparen.
»So sehr er mich auch enttäuscht hat, es würde mir das Herz brechen, ihn tot zu sehen. Wofür soll ich ihn identifizieren?Die Polizei weiß doch, wer er ist, und auch, dass er Selbstmord begangen hat. Erik hat sich aus Verzweiflung umgebracht, weil diese Bonnie mit dem Geld durchgebrannt ist.«
»Wer mit dem Geld durchgebrannt ist, wird sich bald aufklären«, knurrte Schmoll.
»Des Mädle wartet drauße«, sagte Katz. »I hol sie rei.«
Bosedes zarte dunkle Haut und die Zöpfchenfrisur gaben ihr etwas unschuldig Kindliches. Aber sie schlurfte wie eine alte Frau und wirkte unendlich müde. Die schwarzen Augen waren verweint und trüb. Ihre Trauer weckte bei allen Anwesenden Mitleid. Außer bei Frau Kurtz. Als sie begriff, wer da vor ihr stand, versteinerten ihre Züge und ihr Atem beschleunigte sich.
Irma legte Eriks Brief an Bonnie vor Frau Kurtz auf den Tisch und sagte: »Dieser Brief wurde in Ihrem Hotelzimmer auf Mallorca gefunden.«
Brünnhilde rang um Fassung. Sie saß erstarrt, und nur ihre Fäuste gingen auf und zu, als ob ihr keine anderen Bewegungen mehr möglich wären.
»Vorlesen!«, befahl Schmoll, und Irma begann:
»
Meine süße Bonnie
,
ich konnte gestern nicht zu unserer Verabredung kommen, weil meine Tante mir gedroht hat, mich aus ihrem Haus zu werfen, wenn ich noch einmal eine Nacht wegbleiben würde. Sie hat mir auch mein Handy abgenommen und den PC zertrümmert und auf den Sperrmüll geworfen – deswegen bekommst du heute auf altmodischste Weise einen Brief. Du weißt, ich habe dieser Frau viel zu verdanken, aber nun ist Schluss – ich will wieder mein eigenes Leben haben und zwar mit dir, meine Bonnie
.«
Die folgende Stille sprengte ein Schluchzer. Bosede verbarg ihr Gesicht in den Händen. Irma wurde bewusst, dass die, an die der Brief gerichtet war, heute zum ersten Mal den Inhalt hörte. Sie konnte Bosede nicht helfen, diesen weiteren Schock zu verkraften. Wenigstens aber ließ sie ein paar Absätzeaus, weil alle, einschließlich Frau Kurtz, den Brief ohnehin kannten.Sie las betont langsam weiter:
»
Die Tante behauptet, ihre Ersparnisse sind aufgebraucht. Aber ihre
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