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Lemberger Leiche

Lemberger Leiche

Titel: Lemberger Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Ramge
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Thailänder.«
    »Au ja«, sagte Helene. »Dann bis bald.«
    Irma fuhr mit der Straßenbahn zum Wilhelm-Geiger-Platz, ging die Grazer Straße hinauf und betrat die Metzgerei Pützle. Ohne Vorrede zeigte sie dem bulligen Chef ihre Dienstmarke und erklärte, sie käme wegen Fabian Knorr.
    »Können wir uns irgendwo ungestört über Ihren Azubi Florian Knorr unterhalten, Herr Pützle?«
    »Mach hier mal weiter, Lisbeth!«, rief er einer hageren Frau zu, die offensichtlich seine Ehefrau war.
    Mit dem Bauch voran führte Metzgermeister Pützle Irma in ein winziges Büro hinter dem Verkaufsraum.
    »Ja, um Gottes willen, wieso denn Kriminalpolizei?«, jammerte er. »Dem Jungen ist doch hoffentlich nichts passiert?«
    »Wie kommen Sie darauf, ihm könnte etwas passiert sein?«
    »Er ist gestern nicht zur Arbeit gekommen. Ich habe mehrmals bei ihm daheim angerufen, aber es hat sich niemand gemeldet. Von Ariadne hab ich dann erfahren, dass Fabians Eltern verreist sind. Aber das Mädle weiß auch nicht, wo er ist.«
    »Sie hätten ihn als vermisst melden müssen«, sagte Irma.
    Pützle knetete sein Doppelkinn und nickte. »Nachdem er nun heute wieder fehlt, wollte ich bei der Polizei anrufen.«
    »Haben Sie aber bis jetzt nicht getan«, stellte Irma klar.
    »Ich bin noch nicht dazu gekommen.«
    Irma hatte das Mädchen hinter der Fleischtheke gesehen und den Eindruck gewonnen, eine Zwillingsschwester Fabians vor sich zu haben. Sie war genauso klein und dicklich mit kurzem Hals und rundem Kopf, nur gehörten zu diesem Kopf keine streichholzkurzen Haare, sondern ein Haarbüschel, das vom Hinterkopf abstand.
    »Ariadne?«, fragte Irma. »Ist sie das Mädchen, das im Verkaufsraum Koteletts gehackt hat?«
    »Ja. Sie ist mit Fabian befreundet. Beide sind Azubis.«
    »Hat Fabian irgendwelche Probleme?«
    »An dem Jungen ist nicht viel auszusetzen: Er ist pünktlich, fleißig, freundlich und auch gelehrig», sagte Herr Pützle. »Fabians einziges Problem ist, dass er kein Blut sehen kann.«
    »Kein Blut sehen?« Irma lachte. »Vielleicht hätte er besser Bäcker lernen sollen.«
    Metzgermeister Pützle zuckte mit den Schultern. »Ich geb die Hoffnung nicht auf. Er wird sich daran gewöhnen müssen. Vielleicht nimmt er sich mit der Zeit ein Beispiel an Ariadne. Die ziert sich nicht vor dem bisschen Blut, wasbeim Zerlegen der Fleischstücke und Innereien anfällt. Schließlich schlachten wir hier nicht, also ist eigentlich alles halb so schlimm.«
    »Aber Fabian denkt daran, dass all das Fleisch mal Tiere waren?«
    »Anscheinend ja. Stellen Sie sich vor, Frau Kommissarin, er ist sogar Vegetarier geworden, seit er hier in der Lehre ist. Das soll mir aber egal sein, solange er seine Arbeit macht. Es gibt genug unblutige Sachen zu tun: Er bedient an der Wursttheke, Ariadne beim Fleisch.«
    »Schön«, sagte Irma, »dann würde ich mich jetzt gern mit Ariadne unterhalten.«
    »Ich schicke sie Ihnen.«
    Irma schien es, als sei Herr Pützle erleichtert, sich verdrücken zu können, und sie dachte: Wieso hat er eigentlich nicht gefragt, woher ich von dem Verschwinden seines Lehrlings weiß? Na ja, er wird es eilig gehabt haben, in den Verkaufsraum zu kommen. So oft, wie die Ladenglocke inzwischen geläutet hat, stehen vermutlich die Kunden Schlange.
    Ariadne kam hereingetrottet. Sie begrüßte Irma mit »Hi« und wischte sich die Hände an der weißen Schürze ab, die mit Blut und Fettflecken garniert war. Unaufgefordert setzte sie sich Irma gegenüber an den Schreibtisch ihres Chefs und sagte: »Wo brennt’s?«
    »Ich bin Kriminalkommissarin Eichhorn von der Mordkommission und du, äh, Sie sind Ariadne Fröhlich, wie ich von Ihrem Chef weiß.«
    »Genau«, sagte das Mädchen und kreuzte die prallen Arme auf dem Bauch. »Sie können mich ruhig duzen und Ariadne zu mir sagen.«
    »Du bist mit Fabian befreundet? Ich meine privat, nicht nur wie Kollegen?«
    »Genau. Und?«
    Sie drückte die Lippen ihres herzförmigen Mundes aufeinander und guckte ein Loch in die Luft. Dabei sah sie wie ein kleiner Buddha aus und schien angestrengt zu überlegen.Plötzlich sprang sie auf und stützte die Hände auf den Tisch.
    Sie beugte sich zu Irma und keuchte mit erschrockener Stimme: »Wieso kommen Sie hier hereingeschneit und behaupten, von der Mordkommission zu sein? Ist – ist Fabian ermordet worden?« Sie ließ sich zurück auf den Stuhl sinken, faltete ihre Patschhände vor dem Bauch und drückte sie angestrengt zusammen. Ihre Stimme piepste wie falsche

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