Lemberger Leiche
besinnen und im Beisein eines Rechtsanwaltes endlich die Wahrheit zu sagen.
Irma sah dem Jungen nach, wie er hinausgeführt wurde. Er zog das linke Bein nach und die Nase hoch.
Kaum war Irma an diesem Abend daheim, rief Helene an. Sie berichtete mit wichtiger Stimme, dass ihre Vermutung richtig gewesen sei: »Hast du’s in der Landesschau gehört? Auf den alten Mann, der neben dem toten Kater gelegen hat, ist wahrscheinlich ein Mordanschlag verübt worden! Und ich wette, das waren die Banditen, die die Bank ausgeräumt haben!«
»Alles Spekulation«, sagte Irma. »Das kann erst bewiesen werden, wenn die Bankräuber geschnappt sind und verhört werden können.«
»Einen habt ihr doch schon. In der Zeitung steht, dass bei einem Fabian K. ein Teil der Beute gefunden worden ist.«
»Du liebe Zeit«, sagte Irma. »Wer zum Teufel hat diese Meldung schon an die Medien gegeben?«
»Was weiß ich denn? Jedenfalls will die Bevölkerung Bescheid wissen, wer hier alte Leute umrennt, die sich dabei den Kopf einschlagen und mir nichts dir nichts daran sterben. Das hätte ja auch mir passieren können: Ich komme ahnungslos aus einer Bank und peng …«
»Nun halt mal deine Fantasie im Zaum, Helene. Die Ermittlungensind noch ganz am Anfang. Es ist erst seit heute Mittag spruchreif, dass der alte Mann genau vor dieser Bank gelegen hat, die ausgeraubt worden ist. Zunächst müssen wir die Zusammenhänge finden.«
»Aber nun ist er tot«, sagte Helene. »Im Krankenhaus gestorben. Einfach so. – In der Zeitung steht, er heißt Erich Engelhard.«
»Das ist mir bekannt.«
»Es waren bestimmt mehrere Gangster!«, ereiferte sich Helene. »Ihr könnt diese Kerle nicht noch länger frei herumlaufen lassen! Du setzt mich bitte sofort in Kenntnis, wenn ihr etwas herausgefunden habt. Damit ich wieder ruhig schlafen kann.«
»Du weißt genau, dass ich nicht über die laufenden Ermittlungen sprechen darf. Jetzt muss man abwarten, wie es mit unserem ersten Tatverdächtigen weitergeht.«
»Mit dem Fabian Sowieso. Sieht er wie ein Verbrecher aus?«
»Wie ein Schwerverbrecher. Und er sitzt erst mal fest und du hast nichts von ihm zu befürchten. Zufrieden?«
Vier
Mittwoch, 30. Juni
An diesem Morgen erschien Kommissar Katz, der zu Schmolls engstem Team gehörte, überpünktlich im Präsidium. Er hatte zwei Tage Urlaub genommen, weil seine Großmutter geschwächelt hatte, was selten bei ihr vorkam.
Steffen Katz war bei seiner Großmutter aufgewachsen, und so liebevoll, wie sie sich früher um ihn gekümmert hatte, kümmerte er sich auch um sie, seit sie alt wurde. Obwohl er schon auf die Dreißig zuging, teilten sie sich noch immer die geräumige Altbauwohnung im Stuttgarter Osten. Weil Steffen die Oma zu seinem privaten Lebensmittelpunkt gemacht hatte, aber vielleicht auch, weil an ihm alles ein bisschen zu spitz war, die Nase, das Kinn, die Ellenbogen und sogar die Knie, hatte bisher kein weibliches Wesen bei ihm angebissen.
Doch vorigen Herbst hatte er während der Aufklärung des Mordes an einem Feuerbacher Zahnarzt dessen ehemalige Sprechstundenhilfe kennengelernt. Die süße, flotte Ina wusste Steffens treuherzigen haselnussbraunen Dackelblick, sein goldenes Herz und auch die Oma zu schätzen. Seither segelten Katz und Ina durch den siebten Himmel.
Irma traf eine halbe Stunde nach Katz im Büro ein und erkundigte sich sogleich nach dem Befinden der Oma.
»Dere geht’s wieder gut«, beteuerte Katz. »Die Affenhitz hot ihr zugsetzt. Se meint: ›Wer bei soma Wetter net krank wird, isch net gsund.‹ «
»Und wie geht’s Nutella?«
»So a Mops ka nix aus dr Ruh bringe!«
Irma lachte. Sie mochte Katz’ Sprüche klopfende Großmutter und fast noch mehr deren schokoladenbraunen Mixmops. Nicht nur weil Nutella sie im vergangenen Winter vor einer Killerdame gerettet hatte, sondern weil sie seineKnopfaugen, die beleidigte Schnauze und die Sorgenfalten auf seiner Stirn unwiderstehlich fand.
Nachdem Irma sich vergewissert hatte, dass es Oma und Mops gutging, fragte sie, ob Katz schon von dem Verdächtigen namens Fabian Knorr gehört habe.
»Den hab i vorhin em Aufzug gsehe, grad so lang, um a gwisse Ähnlichkeit mit Nutella feststelle zu könne.«
»Lass deinen Spott beiseite, Katz. Du bist auch nicht der Schönste.«
Katz war nie beleidigt. Er lachte, rieb seine spitze Nase, glättete liebevoll sein Lippenbärtchen und streichelte seine Haarfransen in die Stirn. Dann erzählte er, dass es Fabian Knorr weniger gut ginge als
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