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Lemberger Leiche

Lemberger Leiche

Titel: Lemberger Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Ramge
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gucke.«
    »Das hab ich schon versucht, aber die öffnet erst um 13 Uhr. Außerdem habe ich noch etwas anderes zu erledigen.«
    »Shopping in Feuerbachs Einkaufsmeile!«
    »Quatsch. Es ist dienstlich. Aber bind es Schmoll noch nicht auf die Nase, dass ich hier weiter die Lage peile. Er ist der Meinung, das sei Aufgabe des Raubdezernats.«
    »Okay, Eichhörnle. I tu, was i kann.«
    Irma ging weiter. Nach wenigen Schritten erreichte sie eine kleine, langgestreckte Oase, die sich zwischen die Stuttgarter Straße und eine Ladenzeile quetschte.
    Helene saß an einem Biertisch im Schatten von Bambusstauden und löffelte Bambus-Suppe. Decksträucher und eine Reihe Kastanienbäume schirmten die Fußgängerzone von der vielbefahrenen Fahrbahn ab.
    Nach herzlicher Begrüßung setzte sich Irma Helene gegenüber. »Uff«, sagte sie. »Tschuldigung, es ist etwas später geworden. Ich habe mich zwischen Wien und Klagenfurt verlaufen. Wieso heißen hier eigentlich alle Straßen nach österreichischen Städten?«
    Helene wusste es: »Die Straßen in Feuerbachs Zentrum wurden zu Ehren von Österreichs Anschluss ans Deutsche Reich umbenannt.«
    »Aha«, sagte Irma. »Und keiner der Stadtoberen hat es für nötig gehalten, das nach dem Ende der Naziherrschaft rückgängig zu machen.«
    Helene nickte.
    Irma zeigte auf den Wassergraben, der direkt neben ihr zwischen Binsen über Bodenseekiesel dahinplätscherte. »Hab ich recht, wenn ich annehme, wir sitzen hier am Feuerbach?«
    »Erraten«, sagte Helene. »In Feuerbach kenn ich mich aus. Bevor ich meinen Albrecht geehelicht hab und er für uns die Villa im Stadtteil Rot gebaut hat, hab ich hier mein junges Leben verbracht.«
    »Wenn du eine echte Feuerbacherin bist«, sagte Irma, »dann erzähl mir doch bitte auch, warum dieser allerliebste Bach nur an ein paar Stellen an der Oberfläche des Stadtteils auftaucht, der nach ihm benannt ist.«
    Helene fuhr mit dem Zeigefinger über die Tischplatte, als ob sie eine Stadtkarte zeichnen wollte: »Als ein Teil von Feuerbach zum Industriegebiet wurde – das hat so um die Jahrhundertwende begonnen, ich meine die vorletzte –, hat das zwar so manches Cleverle reich gemacht, aber das Dorf ist durch die Fabriken nicht schöner geworden. Die Industrieabwässer haben den Bach zur Kloake gemacht. Man hat ihn schließlich im Untergrund verschwinden lassen, genau wie die Felder, die nicht mehr mit Getreide oder Rüben bebaut wurden, sondern mit Häusern. Doch seit einigen Jahren wird unser Bach so nach und nach, zumindest stellenweise, wieder ausgebuddelt. Wenn du ihn in alter Lieblichkeit bewundern willst, dann musst du durchs Feuerbacher Tal bis nach Botnang wandern.«
    Helene schob die Speisekarte des Gourmet-Imbisses zu Irma. Beide entschieden sich für Asia-Salat mit gebratenem Hähnchenfleisch und Reisbandnudeln.
    Wie immer, wenn Helene ihre »persönliche Ermittlungsarbeit«, wie sie das nannte, erledigt hatte, ließ sie Irma zappeln. Es wäre zwecklos gewesen, wenn Irma sie gedrängt hätte. Helene gabelte genüsslich ihren Teller leer und bestellte den Nachtisch. Bevor sich Irma über die in Honig gebackenen Bananen hermachte, mahnte sie, nun endlich zur Sache zu kommen. Helene maulte, dass sie sich in ihrem Alter eine Mittagspause gönnen müsse, schließlich habe sie eine anstrengende Rundreise durch Stuttgart hinter sich.
    »Zuerst per Straßenbahn von meiner Heimstatt in der Nordbahnhofstraße bis in die Innenstadt. Dann Fußmarschzum Katharinenhospital. Dort: langwierige Fahndung nach der richtigen Krankenstation, wobei ich hilflos durch das riesige Klinikum geirrt bin. Seit der Erweiterung ist es wie eine ganze Stadt, und trotzdem gibt’s noch immer jeder Menge Baustellen! – Als ich endlich meine Ermittlungen hinter mir hatte, bin ich, anstatt mir eine Kaffeepause zu leisten, im Schweinsgalopp wieder zum Hauptbahnhof gelaufen. Da habe ich glücklicherweise gleich die U 6 nach Feuerbach erwischt, sonst wärst du glatt vor mir hier gewesen.«
    »Also, vielen Dank für deine Mühe«, sagte Irma. »Aber nun komm bitte zum Hauptthema.«
    Helene hatte tatsächlich die Krankenschwester gefunden, die Herrn Engelhard am Tag vor seinem Tod betreut hatte.
    »Schwester Ilona konnte sich wegen der ›Pfeife‹ an Herrn Engelhard erinnern«, sagte Helene.
    »Wieso Pfeife?«, fragte Irma. »Im Krankenhaus darf doch niemand rauchen.«
    »Keine Tabakspfeife«, sagte Helene. »Herrn Engelhards Kater hieß Pfeife, weil er auf seine Pfiffe sofort

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