Lemberger Leiche
angeflitzt kam. Nur an diesem Nachmittag, an dem der Unfall passiert ist, kam der Kater nicht. Deswegen hat Herr Engelhard auf der Straße nach seiner ›Pfeife‹ gesucht.«
»Hmm«, machte Irma. »Und dort, wo Herr Engelhard seine ›Pfeife‹ gefunden hat, ist der Tatort.«
Helenes Gesicht überzog sich mit Schmunzelrunzeln. »Genau!«
»Hast du Schwester Ilona gefragt, ob Herr Engelhard sonst noch was erzählt hat?«
»Na, warte es doch ab, Frau Kommissarin. Was meinst du denn, was Miss Marple getan hat?«
»Spann mich nicht auf die Folter, Helene. Das ist keine Quizshow!«
»Herr Engelhard hat gesagt: Vor dem Eingang zur Bank stand eine junge Frau, die er nach seinem Kater gefragt hat.«
»Ja und?«
»Die Frau hat auf den Kater gezeigt, der mausetot am Bordstein lag. Aber bevor Herr Engelhard hingehen konnte, ist ein großer Kerl auf ihn zugekommen und hat ihn umgestoßen.«
Irma vergaß, ihre Honigbanane weiterzuessen, und leckte am Dessertlöffel herum. »Das ist echt interessant!«
Helene sprach eifrig weiter: »Schwester Ilona hat mir auch gesagt, Herr Engelhard hätte versucht, ihr noch etwas mitzuteilen, was sie aber nur teilweise verstehen konnte.«
»Nun rede schon! Auch wenn’s nur Stückwerk ist«, drängte Irma.
»Er hätte gemurmelt: Taxi gekommen. Dann Taxi weg und auch junge Frau und der Mann verschwunden.«
»Ein Taxi!«, rief Irma. Sie stopfte sich den Rest der Honigbanane in den Mund und nuschelte: »Vielleicht bedeutet das, das Taxi hat angehalten und die Gangster mitgenommen!«
Irma rief im Präsidium an und gab Schmoll ein kurzes Resümee über Ariadne Fröhlichs Befragung. Danach berichtete sie, dass Ariadnes Vater Taxi fuhr – und ein Taxi am Tatort gesehen worden sei. Zehn Minuten später hatte Schmoll das Taxi des Herrn Fröhlich ausfindig machen lassen. Es stand samt seinem Besitzer in Warteposition am Feuerbacher Bahnhof. Schmoll hoffte, es würde noch ein Weilchen dort stehen. Er bestellte Irma zum Taxistand und machte sich selbst auch auf den Weg dorthin.
Als Schmoll und Irma fast gleichzeitig vor Herrn Fröhlichs Taxi auftauchten, aber nicht irgendwohin gefahren werden wollten, sondern ihre Dienstmarken zeigten, blinzelte Herr Fröhlich irritiert durch eine Honecker-Brille und schob an dem dunklen Horngestell herum. Irma sah ihm an, dass er am liebsten auf und davon gefahren wäre.
Schmoll sagte: »Also, steigen Sie mal aus, Herr Fröhlich, wir müssen mit Ihnen reden. Oder möchten Sie lieber aufs Präsidium eingeladen werden?«
Herr Fröhlich stieg widerwillig aus, und als er endlich stand und seine Schildmütze abnahm, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen, stellte Irma fest, dass er so blond wie seine Tochter Ariadne war, aber schlanker und größer. Hinter seinen Brillengläsern lauerte ein leichter Silberblick, der sich verstärkte, als Schmoll ihn fragte, wie er den letzten Sonntag verbracht habe.
»Na, wie schon«, brummte Fröhlich. »Hab Fußball geguckt. Sie etwa nicht?«
»Wo haben Sie Fußball geguckt? Sagen Sie bitte nicht daheim und allein!«
»Allein!? Das wär mir nicht im Traum eingefallen«, beteuerte Fröhlich. »Ich war in meiner Stammkneipe.«
Schmoll fragte ihn, ob er mit dem Taxi zu der Kneipe gefahren sei.
»War kurz vorm Anpfiff. Höchste Zeit, vor ’ne Glotze zu kommen. War ich zu schnell? Ist doch kein Mensch auf der Straße gewesen und Autos schon gar nicht.«
»Haben Sie von dem Bankraub gehört?«
»Ja klar. Das pfeifen doch die Spatzen von den Dächern.«
»Ihr Taxi wurde gesehen, als es durch die Straße gefahren ist, in der die ausgeraubte Bankfiliale liegt.«
Herr Fröhlich stemmte die Hände in die Hüften und blickte Schmoll empört an. »Und weil ich durch diese Straße gefahren bin, stehe ich unter Verdacht, die Bank ausgeräumt zu haben?!«
»Möglicherweise. Aber so weit sind wir noch nicht. Jetzt will ich erst mal wissen, ob Sie den Mann gesehen haben, der vor der Bank an der Gehwegkante lag.«
Herr Fröhlich schien einen Moment aus der Fassung zu geraten, bevor er antworten konnte. »Von dem Mann und dem Unfall hab ich in der Zeitung gelesen. Aber nun kommen Sie mir ja nicht damit, ich hätte den Alten umgefahren. Als ich am Sonntag dort vorbeigekommen bin, lag da keiner.«
»Und sonst haben Sie auch niemanden gesehen?«
»Nee. Ich sag doch: Da war keine Menschenseele auf der Straße. Alle haben Fußball geguckt. Es war einsamer als am Arsch der Welt.«
»Und diese Einsamkeit war so richtig
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