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Lemberger Leiche

Lemberger Leiche

Titel: Lemberger Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Ramge
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Kotzenloch fiel. Außer Sichtweite ließ sie sich mit einem Seufzer im Gebüsch nieder, wohlweislich an einer Stelle, an der sie sich mit geleerter Blase an einem Ast hochziehen konnte.
    Aber als sie wieder stand, ihren Schlüpfer über die Hüften gezogen und ihr Dirndl glattgestrichen hatte, war Nutella verschwunden. Sie rief nach ihm und folgte dem Trampelpfad weiter ins Dickicht. Da es immer stiller und einsamer wurde, wollte Oma Katz umkehren, aber da kam der Mops aus dem Gebüsch geprescht. Er hielt etwas Haariges in derSchnauze und legte es seinem Frauchen vor die Wanderschuhe. Statt wie sonst in solchen Situationen auf Lob zu warten, winselte er und sauste wieder davon.
    Frau Katz war es gewohnt, von ihrem Liebling seltsame Fundstücke überbracht zu bekommen. Obwohl Nutella dafür meist nicht das erwartete Lob erhielt, ließ er sich den Spaß nicht verderben, derartige Geschenke zu machen. Unter diesen Gaben hatten sich am häufigsten Schuhe, aber auch Damenslips, tote Mäuse, Pizzastücke und natürlich jede Menge Äste befunden.
    Nun stand Frau Katz mutterseelenallein im Wald und beäugte misstrauisch das seltsame Ding vor ihren Füßen. Sie hob einen morschen Ast auf und stocherte angewidert an diesem Etwas herum. Was sie auf den ersten Blick für eine tote Katze mit einstmals hübschem gelbem Fell gehalten hatte, war für eine Katze definitiv zu leicht. Die Haare waren verdreckt und zusammengeklebt und lösten sich unter den leichten Schlägen, die Frau Katz ihnen mit dem Ast verabreichte, auf. Die tote Katze entpuppte sich als blonde Lockenperücke.
    Irgendwo im Wald jaulte Nutella in den höchsten Tönen. Das klang ängstlich und verzweifelt und erinnerte Frau Katz an Alarmsignale, wie sie an vornehmen Häusern ausgelöst werden, wenn man zu dicht am Tor vorbeigeht. Da ihre Rufe nichts nützten, ging sie nun so schnell sie konnte dem Gejaule nach.
    Mein Gott, vielleicht ein Wildschwein!, dachte sie und malte sich aus, wie ihr kämpferischer Mops einem riesigen Eber gegenüberstand und ihn so lange reizte, bis er angreifen und das kleine kläffende Monster zerfleischen würde.
    Oma Katz bekam selbst Angst vor dem Wildschwein. Trotzdem schlich sie tapfer über den schmalen Trampelpfad weiter und schwang den Ast, an dem die Perücke hing. Sie fand Nutella vor dem Abgrund des Kotzenlochs an einer Stelle ohne schützenden Zaun. Der Mops stand am Rand des Kraters, als hätte er eine Vollbremsung gemacht und drückteden Schwanz zwischen die Beine. Er winselte alle seine verschiedenen Jammertöne und schickte hin und wieder einen verzweifelten Jauler hinunter in die Mergelgrube.
    Die Steilwand war kahl und würde offensichtlich für immer kahl bleiben, denn es war zu erkennen, dass jeder Regenguss Geröll und Erdreich oder sogar Bäume löste und in die Tiefe riss. Deshalb waren auf dem Grund des Kotzenlochs Akaziengebüsch, Waldclematis und Efeu-Lianen zu einem Nest für Riesen zusammengewachsen.
    Oma Katz starrte nun gemeinsam mit ihrem Mops in das Nest im Abgrund, und dabei entdeckte sie, weswegen Nutella jaulte. Augenblicklich stimmte sie lautstark in sein Klagen ein. Sie ließ den Ast mit der Perücke fallen und rannte so schnell sie konnte zurück zum Lemberger Horn, wo die restliche Wandergesellschaft fröhlich plaudernd die Bank besetzt hielt.
    Oma Katz schrie schon von Weitem: »Steffen, Steffen – ein Fall für die Mordkommission!«
    Jetzt hat sie einen Hitzekoller, dachte Katz und ging ihr besorgt entgegen.
    Die Szene wurde noch dramatischer, als der Mops um die Ecke geflitzt kam. Nutella brachte die Perücke und legte sie diesmal Steffen vor die Füße. Wahrscheinlich traute er diesem bei der Beurteilung der Lage mehr zu als seinem aufgeregten Frauchen. Weil sich aber auch Steffen nicht über das Fundstück freute, kroch Nutella beleidigt unter die Bank.
    »Guck doch, Steffen!«, keuchte Oma Katz. »Des isch a Perücke. Ond sie ghört garandiert der Leich!«
    »Nu ma net hudle, Oma«, sagte Steffen leise und drückte sie sanft neben Irma auf die Bank. »Wo isch hier a Leich? Ond wieso traget Leiche Perücke?«
    Oma Katz zeigte auf Irmas Rucksack und verlangte einen Schnaps. Sie bekam einen Becher Apfelsaftschorle und war auch damit zufrieden. Danach erzählte sie ohne Punkt und Komma von dem, was Nutella und sie im Kotzenloch entdeckt hatten.
    Alle machten sich Sorgen und waren überzeugt, Omas Hirn hätte unter der Hitze gelitten. Da sie aber keine Ruhe gab und so laut zeterte, dass andere

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