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Lemberger Leiche

Lemberger Leiche

Titel: Lemberger Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Ramge
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mich an meinem dienstfreien Tag aus dem wohlverdienten Mittagsschlaf aufzuschrecken. Wollt ihr mich verarschen?«
    »Noi«, sagte Katz. »Bring den Polizeiarzt ond paar Spusis mit.«
    Zwanzig Minuten später fuhr Schmolls alter Daimler am Treffpunkt vor. Kurz danach erschienen der Arzt und die Spurensicherer. Keiner war begeistert von der Störung am Samstagnachmittag. Jeder hoffte, hier fertig zu sein, wenn in drei Stunden das WM-Spiel Deutschland gegen Argentinien beginnen würde.
    Bei dem Gedanken, die Kollegen zu einem blinden Alarm herbeordert zu haben, wurde es Irma bänglich.
    »Und wenn es nun doch eine Schaufensterpuppe ist?«, wisperte sie Katz zu. »Vielleicht hätten wir uns vergewissern sollen, was sonst noch zu der Hand gehört.«
    Katz zuckte die Schultern. »Dr Dienschtweg isch korrekt.«
    Irma wusste, was Katz damit meinte: Wenn sie selbst nachgeschaut hätten, wäre ihnen der Vorwurf sicher gewesen, sich vorzeitig eingemischt, Spuren zertrampelt oder etwas ohne Handschuhe angefasst zu haben! Schiet drauf, dachte Irma, sollen unsre Spezialisten sehen, wie sie sich durch den Urwald kämpfen!
    Es stellte sich tatsächlich als schwierig heraus, zu dem Fundort vorzudringen. Der Arzt und die Spusis arbeiteten sich mit stinksauren Mienen durchs Dickicht. Alle zerrissen sich die Schutzkleidung und zerkratzten sich Arme und Beine an Schlehdorn- und Akaziengebüsch. In dem Moment, in dem der Arzt die schneeweiße Hand ergreifen wollte, rutschte sie ins Unterholz. Die Leiche musste mühsam aus Brombeerranken befreit werden.
    Am Treppenweg hing eine Traube von Wanderern am Geländer. Wenn es nachgibt, dachte Irma, dann müssen wir noch mehr Leichen aus der Grube sammeln. Sie versuchte, die Leute wegzuscheuchen, aber diese fanden die Show im Kotzenloch mindestens so spannend wie ein WM-Fußballspiel. Niemand wollte seinen Logenplatz aufgeben und das Spektakel verpassen, zumal auch die Flüche, die aus der Mergelgrube schallten, einen beachtlichen Unterhaltungswert hatten.
    Irgendwann lag dann die Leiche beziehungsweise das, was Würmer, Mäuse und Vögel davon übrig gelassen hatten, auf einer Bahre.
    Der Arzt informierte Schmoll über die Details, die er vorläufig feststellen konnte: »Männlich. Mitte zwanzig. Todesursache: Sturz aus großer Höhe. Aber der Tod kann auch zu einem späteren Zeitpunkt, während er im Gebüsch hing, eingetreten sein. Die Wunde im Genick kann ein Specht gehackthaben oder von einem Werkzeug stammen, mit dem der Mann betäubt oder getötet wurde. Genaueres lässt sich hier in diesem Dschungel beim besten Willen nicht feststellen.«
    Die Leiche wurde in die Gerichtsmedizin gebracht.
    Wenig später wussten die Spurensicherer, dass ihr freier Nachmittag, an dem sie das Fußballspiel Argentinien gegen Deutschland sehen wollten, nicht mehr zu retten war.
    Schmoll zeigte nach oben zum Kraterrand und verkündete: »Der Kerl ist von dort runtergestürzt oder gestürzt worden. Steigt rauf und sichert alle Fußabdrücke und sonstige verdächtige Spuren. Durchkämmt den Wald in möglichst weitem Umkreis.« Nach einem Blick zum Himmel, der grünfaserig wie gehackter Spinat schimmerte, und an dem die Sonne wie ein zerlaufenes Spiegelei klebte, sagte Schmoll energisch: »Ihr müsst sofort anfangen. Wenn das Gewitter losbricht, sind alle Spuren futsch. Macht euch umgehend an die Arbeit!«
    Gemeinsam mit den Spusis erklommen Schmoll, Irma und Katz die Kotzenlochstaffel. Oben angekommen, begann der Samstagnachmittag-Notsuchtrupp damit, das Terrain abzustecken. Während Katz zur Verstärkung dablieb, machte sich Schmoll mit Irma auf den Weg zum Ulmerschen Weinberg mit der Besenwirtschaft. Nicht um sich dort zu stärken, der Appetit war ihnen beim Anblick der Leiche gründlich vergangen. Sie wollten den Wirt und die Gäste befragen, ob sie in den letzten Tagen etwas Verdächtiges bemerkt hätten. Etwas, das mit dem Toten in Zusammenhang gebracht werden könnte.
    Unterwegs kamen sie an der Bank vorüber, auf der Mama Eichhorn und Oma Katz dösten. Auf ein dezentes »Hallo« von Irma schreckten sie synchron zusammen und rieben sich die Augen, um richtig wach zu werden.
    »Wir hatten’s richtig kommodig«, sagte Frau Eichhorn. »Wir haben gegessen, getrunken und allerhand bekakelt.«
    »Ond danach habet mer a schees Nickerle gmacht«, ergänzte Frau Katz.
    Nutella gähnte zur Bestätigung, um danach seine Knopfaugen wieder zuzudrücken. Es passte ihm überhaupt nicht, als es weiterging.
    Schmoll und

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