Lemberger Leiche
Kai-Friedrich hat mich zu einem Wellness-Urlaub eingeladen. Wir werden im Hotel Europäischer Hof wohnen. Erstes Haus am Platz direkt gegenüber dem Kurhaus. Stell dir das vor, Irma, so etwas hätte ich mir nie im Leben leisten können!«
»Wie lange bleibt ihr?«
»Drei Wochen mindestens«, sagte Mama Eichhorn. »In Baden-Baden gibt es unglaublich viele Sehenswürdigkeiten. Und wir wollen auch Ausflüge im Schwarzwald machen. Wenn’s mal regnen sollte, gehen wir in die Caracalla-Thermen.Ich zeige dir nachher die Prospekte. Kai-Friedrich hat auch versprochen, mit mir ins Festspielhaus zu gehen. – Einfach Wahnsinn!«
»Freut mich für dich«, sagte Irma.
Das war nicht nur so dahingesagt, sondern sie gönnte es ihr wirklich. In den letzten Jahren hatte ihre Mutter mehrere missglückte Liebeseskapaden hinter sich gebracht. Irma konnte die Beharrlichkeit, mit der ihre Mutter rastlos einen Partner über Internet gesucht hatte, nur als mannstoll bezeichnen. Einmal hatte Irma ihre naive Mama sogar aus den Fängen eines bundesweit gesuchten Heiratsschwindlers befreien müssen. Mit dem seriösen Herrn Jansen, den Mama vorige Weihnachten auf der Fahrt nach Stuttgart im ICE kennengelernt hatte, schien sie zur Ruhe gekommen zu sein. Irma hoffte inständig, durch diese Bekanntschaft würde ihre Mutter ihr Handicap, den Hang zur Kleptomanie, endgültig überwinden.
Auch während des Umsteigens und auf der Fahrt zum Killesberg plauderte Mama Eichhorn munter weiter. Irma erfuhr eine Neuigkeit, die bei ihren Telefonaten ungesagt geblieben war: die geplante Doppelhochzeit.
Mama Eichhorn gab schon mal ihre Vorstellung für die gedruckten Anzeigen zum Besten: »›Kai-Friedrich Jansen aus Hamburg und Helga Eichhorn aus Itzehoe grüßen als Vermählte.‹« Sie kicherte glücklich. »Und für die Jugend würde passen: ›Knut Jansen, Neu-Stuttgarter, und Stephanie Kächele aus Biberach zeigen ihre Hochzeit an.‹«
Dieses Fest sollte im Kurhaus in Baden-Baden stattfinden und während des Urlaubs vor Ort vorbereitet werden.
Mama Eichhorn schwärmte: »Kai-Friedrich hat mir eine königliche Feier versprochen. Kein Tüdelkram!«
Irma fragte sich, ob das alles ernst zu nehmen sei, aber da ihre Mutter begeistert war und jünger denn je wirkte, hielt sie ihre Bedenken zurück. Sie konnte sich vorstellen, dass Jansen senior sich verliebt hatte, vielleicht auch des Alleinseins müde war. Und eins konnte Irma bezeugen: Langweiligwurde es mit ihrer Mam nie. Wer ihre Kapriolen, die manchmal in Chaos endeten, aushielt, konnte viel Spaß mit ihr haben. Außerdem war sie ein Kochprofi. Jansens Doppelkinn und sein Schmerbauch verrieten, dass er kein Kostverächter war.
»Du bist jetzt schon herzlich zu unserer Hochzeit eingeladen«, gurrte Mama Eichhorn.
Irma lachte und warf ihre Haarmähne in den Nacken. »Ich werde mir ein neues Kleid kaufen. Ich hoffe aber, königlich müssen nur die Brautpaare daherkommen.«
»Ich denke an ein cremefarbenes Spitzenkleid«, sagte Mama. »Habe in Hamburg schon was anprobiert – muss aber ein bisschen abnehmen.«
»Fein«, sagte Irma, »dann ist es ja nicht so schlimm, dass ich nicht viel im Eisschrank hab.«
»Mit dem Abspecken, das hat Zeit.« Mama lachte und ließ ihre Hände liebevoll über ihre Kurven gleiten.
»Und wann soll die königliche Feier stattfinden?«
»Im goldenen Herbst. Am 15. Oktober, da ist Kai-Friedrichs Geburtstag.«
»Wie alt wird er denn?«
»Wird nicht verraten«, sagte Mama Eichhorn. »Und auch mein Geburtsjahr plauderst du bitte bei den Gästen nicht aus.«
»Viele Gäste?«, erkundigte sich Irma.
»Hundert Leute werden sich zusammenläppern. Mindestens! Die müssen wir noch auseinanderklamüsern. Kai-Friedrich bestellt genügend Zimmer, damit wir bis in die Nacht hinein feiern können.«
»Und dann geht’s auf Hochzeitsreise?«
»Knut und Stephanie fliegen nach Hawaii. Wir überlegen noch, wo es hingeht.«
Da Mama Eichhorn trotz Abspeckvorsätzen der Hunger plagte, ließen sie den Tag in der Gaststätte
Schwäbische Weinstube
im Höhenpark Killesberg ausklingen. Das Gesprächsthema war das gleiche wie vorher und schien unerschöpflich.
Erst nach dem Maultaschenessen, in das mehrere Viertele eingeschlossen waren, bei einem Verdauungsspaziergang durch den Park erkundigte sich Mama Eichhorn, ob Irma etwas von Martin aus Itzehoe gehört habe, und setzte hinzu: »Nach meinen letzten Informationen ist Martin noch unbeweibt.«
»Wieso und bei wem informierst du dich
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