Lemberger Leiche
groß.«
»Was hatte er an?«
Fabian überlegte. »Ein Shirt mit Kapuze, die er in die Stirn gezogen hatte. Komisch bei der Hitze? Deswegen konnte ich sein Gesicht nicht sehen.«
»Was ist dir noch aufgefallen?«
»Ich glaube, er hatte auch Turnschuhe an, weiße, aber sonst war er dunkel angezogen. Ich hab noch gedacht: Wie kann man bei dieser Hitze in schwarzen Klamotten rumlaufen?«
Schmoll kratzte seine Glatze. »Du hast dir diese Personenbeschreibungen nicht ausgedacht, um jetzt von dir selbst abzulenken?«
»Ich hab mir nichts ausgedacht.
Ich hab’s gesehen.«
»Hat dir dieser Mann mit dem Kapuzenshirt die 1000 Euro gegeben?«, fragte Stöckle.
»Verdammt, er hat mir nichts gegeben! Er hat mich wahrscheinlich gar nicht gesehen.«
»Überleg noch mal«, forderte ihn Stöckle auf. »Vielleicht bist du mit den beiden gemeinsam auf dem Friedhof angekommen und hast vorher bei dem Bankraub Schmiere gestanden? Für 1000 Euro!«
Fabian stutzte, er schien sich zu besinnen. Schmoll und Stöckle dachten beide: Jetzt packt er aus! Doch weit gefehlt.
Fabian fragte: »Heißt das, der Mann, der über den Friedhof gelaufen ist, war der Bankräuber?«
»Kann sein«, wich Stöckle aus.
»Wie viel hat er denn geklaut?«
Diese Frage, so fand Schmoll, klang sehr interessiert. Kam Fabian womöglich zu Bewusstsein, dass er zu wenig Geld abbekommen hatte?
Schmoll sagte: »Der Bankräuber hat sehr viel mehr mitgehen lassen als die zehn Hundert-Euro-Scheine, die in deinem Rucksack waren.«
»Ich weiß nicht, wie die da reingekommen sind.«
Stöckle nahm die Akte hoch, haute sie zurück auf den Tisch und brüllte: »Na, dann wären wir ja wieder am Anfang!«
»Das Geld muss mir jemand in den Rucksack gesteckt haben, als ich geschlafen habe!«, schrie Fabian.
»Na prima! Das ist ja gang und gäbe, dass jemand Geldscheine in einen fremden Rucksack steckt!«, höhnte Stöckle.
Schmoll holte erneut seinen väterlich ermutigenden Tonfall aus seiner Trickkiste: »Nun überlege doch bitte mal ganz in Ruhe, wie deine Fingerabdrücke auf einige der Scheine gekommen sein könnten.«
Fabian verdrehte die Augen, als ob er überlegen würde, und dann nuschelte er: »Vielleicht hab ich etwas in meinemRucksack gesucht und die Scheine dabei angefasst. Wenn, dann muss das aber in der Zeit gewesen sein, in der ich völlig vom Bier vernebelt war. Ich kann mich beim besten Willen nicht daran erinnern.«
Er seufzte abgrundtief und begann wieder, mit dem Fuß auf den Boden zu tippen.
»Hör auf mit der Trippelei!«, befahl Stöckle.
Fabian stellte einen Fuß auf den anderen und starrte darauf, als müsse er sie bewachen.
Das kann er, dachte Schmoll: zerknirscht gucken, dieser Grünschnabel, aber die Weisheit scheint er nicht mit Löffeln gefressen zu haben. Ich wette, er hatte einen gewieften Komplizen, der sich mit dem Restgeld aus dem Staub gemacht hat. Aber an dieser Friedhof-Story mit dem großen Mann und der kleinen Frau scheint was dran zu sein. Die zwei Rentner haben Irma und Katz ja auch erzählt, es seien zwei Personen, eine große und eine kleine, eilig quer über den Friedhof gegangen. Insofern ist die Aussage des Jungen in diesem Punkt glaubhaft.
Aber er erzählte ein bisschen zu flüssig, wie einstudiert, fand Schmoll. Bildete Fabian sich womöglich ein, dass seine Komplizen noch ein paar große Scheine mehr rausrückten, wenn er dichthielt?
Schmoll sagte: »Gucken Sie nicht immerzu auf den Boden. Wenn ich Ihnen glauben soll, müssen Sie mir in die Augen sehen!«
Fabian hob den Kopf und Schmoll fragte ihn, ob er sonst noch jemand auf dem Friedhof gesehen hätte.
Fabian begann, wieder mit der Fußspitze zu tippen. Ganz leise und vorsichtig. Wie unbewusst.
Er sagte: »Ich hab nicht darauf geachtet, ob da Leute rumspaziert sind. Ich hatte andere Sorgen. Sie wissen schon: der Streit mit meiner Freundin. Ich hab nichts getan als auf der Parkbank gehockt und Bier getrunken, bis ich groggy war und eingeschlafen bin. Ich bin doch keinen Alkohol gewöhnt, und dazu war es so verdammt heiß amSonntagabend.« Nach einer Schweigeminute seufzte Fabian wieder und fragte: »Ariadne hat wirklich nicht nach mir gefragt?«
»Wenn das alles ist, was Ihnen Sorgen macht, Herr Knorr, dann können wir Ihnen nicht helfen!«, bellte Stöckle.
»Sodele!«, sagte Schmoll genervt. »Jetzt hab ich genug von dem Spielchen!«
Stöckle nickte.
Auf der B 10 Richtung Pragsattel stand Schmoll im Stau und kam erst gegen elf Uhr im Präsidium an.
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