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Lemberger Leiche

Lemberger Leiche

Titel: Lemberger Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Ramge
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gestehst, desto günstiger ist das für dich. Ich vermute, ein Geständnis würde dich sogar einigermaßen entlasten. Wenn du uns sagst, wer deine Komplizen sind, kommst du möglicherweise mit einem blauen Auge davon!«
    »Ich hab keine Komplizen.«
    »Haben sie dir gedroht, dich fertigzumachen, wenn du sie verrätst?«
    »Nein.«
    »Da du behauptest, sie hätten dir nicht gedroht, hast du bereits eingestanden, dass es Komplizen gibt.«
    »Es gibt keine Komplizen.«
    Schmoll lehnte sich zurück und trommelte ein paar Takte des Radetzky-Marschs auf die Tischplatte. Langsam in beruhigendem Tempo. Adagio bis Largo. Da Stöckle nicht weiterkam, war er jetzt wieder an der Reihe. Er hoffte auf einen Hinweis zu Erich Engelhards Sturz. Wenn man den Bemerkungen, die der alte Mann vor seinem Tod gemacht hatte – ihn habe ein Mann vor die Brust gestoßen – glauben sollte, konnte Schmoll sich schwer vorstellen, dass dieser Mann der kleine, dicke Fabian gewesen sein könnte. Falls er wirklich nicht an dem Raub beteiligt gewesen war, musste er aber zumindest auf seinem Weg zum Alten Friedhof an der Bankfiliale vorbeigekommen sein.
    Schmoll übernahm das Verhör und auch das von Stöckle für den Angeklagten eingeführte Du und bemühte wieder seinen väterlichen Tonfall. Seine Bassstimme tuckerte wie ein Dieselmotor. »Wo hast du das Bier gekauft?«
    Fabian zuckte die Schultern. »Irgendwo. Ich glaub, es war in der Wiener Straße.«
    »Und die haben dich nicht gefragt, wie alt du bist?«
    »Der Kiosk war von Leuten belagert, weil drinnen auf dem Fernseher schon das Fußballspiel gelaufen ist. Den Alk und die Glimmis habe ich anstandslos bekommen, obwohl ich sonst meistens jünger als achtzehn geschätzt werde.«
    »Und dann?«
    »Weil ich nicht nach Hause gehen wollte, hab ich das Zeug eine Weile rumgeschleppt. Hab nach einem schattigen Platz gesucht, wo ich mir in Ruhe einen ansaufen konnte. Die Straßen waren leer und es war so affenheiß, dass der Asphalt gestunken hat. Nach den ersten Schlucken aus der Bierdose war ich schon duselig.«
    »Welchen Weg bist du gegangen, um zum Alten Friedhof zu gelangen?«
    »Ich weiß nicht mehr.«
    »Hast du einen alten Mann gesehen und seinen Kater?«
    »Kater? Ich habe keinen Kater gesehen. Und auch keinen alten Mann. Was ist mit dem Mann?«
    »Er ist tot«, sagte Schmoll. »Genauso tot wie sein Kater. Den Kater hat vermutlich ein Auto überfahren, und den alten Mann, der ihn gesucht hat, hat jemand so heftig umgestoßen, dass er mit dem Kopf auf die Bordsteinkante geknallt ist. Der Mann hat direkt gegenüber der Eingangstür zu der Bankfiliale gelegen. Einen Tag später ist er an den Verletzungen des Sturzes gestorben.«
    Fabian heulte. Ob wegen des alten Mannes oder ob er einfach nicht weiter wusste, konnte Schmoll schwer einschätzen. Für Schmoll war es nichts Neues, Verdächtige bei Verhören weinen zu sehen. Die meisten heulten, um sich dabei die nächste Lügengeschichte auszudenken. Schmoll gab Fabian ein Papiertaschentuch, das lautstark und ausgiebig benutzt wurde. Als der Junge nur noch ab und zu schniefte, fragte Schmoll, ob ihm jemand auf dem Alten Friedhof begegnet wäre.
    Fabian legte den Kopf in den Nacken, blinzelte in das Viereck der Neonbeleuchtung und schien nachzudenken. »Als ich vom Pinkeln aus dem Gebüsch kam, gingen ein Mann und ein Mädchen quer über den Spielplatz. Sie liefen, als ob sie’s eilig hätten.«
    »Kannst du die beiden beschreiben?«, fragte Schmoll.
    »Das Mädchen war klein und dünn«, sagte Fabian.
    »Geht’s auch genauer?«
    »Lange Haare. Lockig. Blond wie Ariadne. – Hat sie wirklich noch nicht nach mir gefragt?»
    Stöckle schluckte, ließ seinen Adamsapfel hopsen und knurrte: »Nicht vom Thema abkommen, Herr Knorr.«
    »Kannst du dich erinnern, was das Mädchen angehabt hat?«, hakte Schmoll nach.
    »Jeans.«
    »Farbe?«
    »Blau, glaube ich.«
    »Oben rum?«
    »T-Shirt oder vielleicht war es auch ein Polohemd. Hellblau. Schlabberig.«
    »Weiter!«
    »Turnschuhe. Schwarz mit Weiß. Vielleicht Adidas.«
    Stöckle räusperte sich. »Das hast du aber in der angeblich kurzen Zeit gut beobachtet.«
    »Vielleicht weiß ich das noch, weil ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht voll besoffen war. Aber an den Weg zum Friedhof kann ich mich nicht erinnern, weil ich da immerzu an Ariadne gedacht habe.«
    »Also, dann noch mal zum Friedhof«, sagte Schmoll. »Streng dich an, überlege, wie der Mann, den du dort gesehen hast, ausgesehen hat.«
    »Er war

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