Lemberger Leiche
herausgefunden. Dir wird schon was einfallen, wenn du erst dort bist.«
Irma zog Schmoll die Grimasse, die sie für solche Gelegenheiten für ihn bereit hatte und die im Wesentlichen aus gefletschten Zähnen bestand. »Wenn ich erst mal da bin, brauche ich vor allem einen Dolmetscher.«
Schmoll machte sein Bulldoggengesicht und fragte zynisch, ob sie sonst noch Wünsche hätte.
»Nein«, sagte Irma, »aber eine Idee.«
»Lass hören.«
»Vielleicht kann mir Aline, Leos Schwester, dolmetschen. Sie spricht spanisch und kennt sich auf der Insel und mit der Mentalität der Mallorquiner aus.«
»Willst du diese kleine Wilde mitnehmen?«
»Line gebärdet sich nur in ihrer Freizeit wild. Ernsthafte Aufgaben erledigt sie ruhig und mustergültig. Außerdem brauche ich sie nicht mitzunehmen, sie ist bereits seit voriger Woche in Palma.«
»Bekommt so ein frisch gebackener Azubi schon Urlaub?«
»Ihr Reisebüro hat sie dienstlich hingeschickt.«
»So, so«, brummte Schmoll und tätschelte seine Glatze. »Was macht sie denn da?«
»Sie soll an der Westküste Hotels auftun, die für Wandergruppen geeignet sind.«
»Wandern die Touristen nicht lieber an den gepriesenen Stränden vor dem Ballermann auf und ab?«
»Du hast keine Ahnung, Schmoll. An der Westküste und im Norden ist es gebirgig. Da gibt es Wanderwege über Bergkämme und durch Schluchten. So richtig was zum Kraxeln.«
»Das klingt, als wärst du schon dort gewesen.«
»Man kann sich auch aus Reiseführern und im Internet schlau machen.«
Schmoll rieb seine Denkerstirn, hinter der es momentan ziemlich chaotisch zuging. »Möglicherweise tappt der Mörderja auch noch in Stuttgart rum«, knurrte er. »Vielleicht schnapp ich ihn, während du deiner Intuition auf der Insel nachrennst!«
Irma dachte, sie höre nicht recht. Sie war frustriert und enttäuscht von Schmolls Wenns und Abers. Schließlich wusste er seit der Durchsuchung des Kurtz-Hauses, dass man die Frau verhören musste. Wurmte es ihn nun doch, diese Spur nicht selbst gefunden zu haben?
Es war nicht Irmas Art, mit Erfolgen anzugeben, aber nun warf sie ihre Mähne in den Nacken und sagte sehr bestimmt: »Meine Intuition hat bekanntlich schon manchmal dazu beigetragen, einen verzwickten Fall zu lösen!«
Schmoll sah sie an, etwas belustigt, aber nicht spöttisch, und brummte: »Woran das wohl liegen mag?«
»Das liegt daran, dass ich verzwickt denke.«
Spätabends, nachdem Irma ihren Flug übers Internet gebucht und alle Unterlagen des Kotzenloch-Mordfalles noch einmal durchgesehen und überdacht hatte, als endlich auch ihr Rucksack gepackt war und sie gerade ins Bett kriechen wollte, klingelte das Telefon.
»Nett, von dir zu hören, Mam, aber findest du nicht, dass es schon ziemlich spät ist? Ich sollte jetzt schlafen gehen, weil ich morgen sehr früh zum Flughafen muss. – Nein, ich hab keinen Urlaub. Eine Dienstreise. – Das findest du komisch: Dienstreise nach Mallorca? Ich erkläre dir das, wenn ich zurück bin. Jetzt würde es zu lange dauern. Außerdem darf ich nicht über laufende Ermittlungen sprechen. – Nein, auch nicht mit meiner Mutter.«
Und da Mama nichts aus Irma herauskriegte, sprudelte sie nun erst mal hervor, was Kai-Friedrich ihr am heutigen Tag alles geboten hatte: Bummel durch die Baden-Badener Einkaufsmeile (»Kai-Friedrich hat mir eine Handtasche gekauft und dazu passende Schuhe. Beides von Joop«). Lukullisches Mittagsmenü im feinsten Restaurant des historischen Stadtkerns. »Und nach gemeinsamem Mittagsschläfchen habenwir bis zum Abend die Annehmlichkeiten der Caracalla-Thermen genossen.«
»Klingt alles wunderbar«, sagte Irma, unterdrückte ein Gähnen und hörte Mamas Stimme, die sprudelte wie die Thermen in Baden-Baden.
Bevor Irma endlich auflegen konnte, schrie Mama in den Hörer: »Und morgen gehen wir ins Casino!«
Elf
Mittwoch, 7. Juli
Leo hatte Irma gemailt, er könne sie leider nicht abholen, da er seine Aerobic-Gruppe auf einen Ausflug nach Alcudia begleiten müsse. Aber er würde Line zum Flugplatz schicken. Line habe auch bereits ein Zimmer für sie besorgt.
Irma hatte gar nicht daran gedacht, eine Unterkunft zu buchen, da sie davon ausgegangen war, bei Leo zu übernachten. Sie war sauer, weil Leo sie nicht abholte, und enttäuscht, dass sie in einem anderen Hotel schlafen sollte.
Die Boeing landete kurz vor 11 Uhr mit leichter Verspätung in Palma. Vom Gate aus begann ein kilometerlanger Marsch über Treppen und auf Laufbändern zur
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