Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lemberger Leiche

Lemberger Leiche

Titel: Lemberger Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Ramge
Vom Netzwerk:
Insel ruinierte, schlossen sich riesige Golf- und Tennisanlagen an. Zurzeit lagen sie verwaist, weil es zu heiß für sportliche Betätigungen war. Einige Gäste lagen an den Pools, andere warteten unter den Baldachinen vor den Restaurants auf die englische Teestunde.
    Hinter einer Glasfassade lag der Speisesaal. Aha, dachte Irma, hier laben sich die erlauchten Gäste heute Abend am afrikanischen Büfett. Nicht an Hirsebrei, sondern an kolonialistisch Außergewöhnlichem. Vielleicht gibt es Elefantengulasch oder Gazellenfilet. Duftete es da nicht nach jungem Warzenschwein am Spieß?
    Irma ließ das künstliche Afrika hinter sich und ging zurück zum Eingangsbereich. Dort setzte sie sich auf dem Vorplatz neben einen Brunnen, der von bronzenen Reihern bewacht wurde. Sie wartete auf Leo.
    Sie hatte ihn seit drei Monaten nicht mehr gesehen. Telefonieren oder SMS schreiben reichte einfach nicht, wenn man allmählich vor Sehnsucht trübsinnig wurde.
    Ein Hotelboy, der vorübereilte, sagte freundlich: »Bon dia.«
    Irma vergaß zurückzugrüßen, weil ein hoteleigener Kleinbus auf den Parkplatz fuhr. Sie erkannte Leo am Steuer und geriet vor Glück fast in Panik. Sie hatte nicht mehr gewusst, wie gut er aussah. Seine geschmeidige Bewegung, mitder er aus dem Bus sprang! Seine Haut wie matte Bronze. Wie er lachte und seine kräftigen Zähne blitzten. Irma sprang auf und wollte winken. Aber die bereits gehobene Hand sackte herunter, als nun etwa ein Dutzend sehr junge, sehr hübsche und sehr fröhliche Damen aus dem Bus drängten und Leo umringten. Sie umkreisten ihn mit einem Tanz, einer choreografierten Gymnastik. Dazu sangen sie laut und übermütig eine Melodie im Cha-cha-cha-Rhythmus. Als das endlich vorüber war, wurden Leo unter viel Gelächter und Bussis exotische Blumen und bunte Päckchen überreicht. Jeder Kuss und jede Umarmung, die er entgegennahm, versetzte Irma einen Stich. Wenn Leo diese netten Gesten lachend erwiderte, wurden die Stiche noch schmerzhafter. Irma presste die Augen zu. Als sie sie wieder öffnete, war die Show vor dem Hotel beendet und Leo samt den Aerobic-Damen verschwunden.
    Irma war im Begriff, fluchtartig ihren Spähposten zu verlassen, da klingelte ihr Handy.
    »Hallo, Irma, wo steckst du? Ich bin an der Hotelhalle und warte auf dich.«
    Irma sagte: »Dann warte weiter!«, drückte die Aus-Taste und rannte zur Straße. Rannte ohne Ziel bergab, während ihr Handy klingelte und klingelte. Endlich winkte sie ein Taxi heran und ließ sich auf den Rücksitz sinken. Das Handy klingelte immer noch. Obwohl sie es gar nicht wollte, nahm sie ab.
    »Irma, wo bist du? Ich hol dich ab. Sag einfach, wo? Ich …«
    Irma hörte den Satz nicht zu Ende, sie hätte auch nicht antworten können, weil ihr Hals zu eng war. Und ins Telefon heulen, diesen Triumph würde sie ihm nicht auch noch gönnen.
    Das Taxi fuhr los. Das Handy ging auf Dauerton. Der Fahrer drehte sich um, sagte nichts, aber Irma sah ihm an, wie genervt er war.
    Also nahm sie ab und schrie: »Lass mich in Ruhe, verdammt noch mal!«
    Bevor sie die Taste fand, um das Handy ganz auszustellen, begriff sie, dass es diesmal Schmolls Stimme gewesen war. Deswegen nahm sie beim nächsten Klingelton ab.
    »Was ist denn los bei den Spaniern?«, grollte Schmolls Bass. »Warum schreist du mich so an? Ich wollte doch nur hören, ob du gut angekommen bist.«
    Irma schnappte nach Luft. »Ich ruf dich morgen zurück«, schnaufte sie atemlos. »Bis bald.«
    »Klack und weg«, sagte Schmoll und sah ratlos auf den Hörer. Er überlegte, ob er sich Sorgen machen musste.
    Derweil klingelte Irmas Handy erneut, und weil sie inzwischen ein schlechtes Gewissen beschlich, weil sie Schmoll so Knall auf Fall abgewimmelt hatte, hob sie ab.
    »Hallo, Irmchen! Hier ist deine Mama. Deine Mama ruft aus Baden-Baden an. Ich komme gerade mit Kai-Friedrich aus dem Casino. Du wirst es nicht glauben: Ich habe 186 Euro gewonnen! 186 Euro in einer halben Stunden bei nur zehn Euro Einsatz!«
    Irma warf das Handy aus dem Fenster und meinte das Knirschen zu hören, als das folgende Auto darüberfuhr. Es war ein Reflex gewesen, auf jeden Fall aber ein Kurzschluss. Verdammt, dachte sie, habe ich mich überhaupt noch unter Kontrolle? Handy aus dem Autofester werfen? Wer tut denn so etwas? Ich doch nicht!
    Sie sah den erschreckten Blick des Taxisfahrers im Rückspiegel, zuckte mit den Schultern, lächelte ihn an und sagte: »Ist alles okay, señor!«
    Im Hotel hätte sie sich am liebsten wie

Weitere Kostenlose Bücher