Lemberger Leiche
Rucksack fertig aus.
Anschließend saß sie allein in einem miefigen, dunklen Speiseraum. Während sie ihr Müsli löffelte, stellte sie fest, dass sie die Erste beim Frühstück war und bereute, schon aufgestanden zu sein. Als Nächstes bereute sie, sich gestern so leichtsinnig von ihrem Handy getrennt zu haben. Doch noch bevor sie ihren Kaffee ausgetrunken hatte, wurde sie ins Foyer ans Telefon gerufen.
Leo sagte: »Buenos dias, bella señora. Ich habe es nicht übers Herz gebracht, dich wachzuküssen. Du hast geschlafen wie Dornröschen und ausgesehen wie ein langhaariger Pumuckl.«
Leo wollte wissen, was sie bezüglich ihrer Räuberjagd heute zu tun gedenke. Sie gestand, keine Ahnung zu haben und schimpfte auf Schmoll.
»Wenn er mir spanische Amtshilfe besorgt hätte, dann könnte die Presse eingeschaltet werden. Wir würden ein Foto von Frau Kurtz veröffentlichen und sie als vermisst suchenlassen. Ich kann doch nicht hier rumrennen, allen Mallorquinern das Jubiläumsbild vor die Nase halten und fragen, ob sie der Frau irgendwo begegnet sind! – Wie viele Einwohner hat Mallorca eigentlich?«
»Knapp 800 000«, sagte Leo. »Die Hälfte davon lebt in Palma. Dazu kommen die Touristen.«
»Na, bravo! Fang ich also mit der Hauptstadt an und arbeite mich dann über Land.«
»Ich hab ’ne Idee«, sagte Leo.
»Ich nicht«, sagte Irma trübsinnig. »Aber lass hören.«
»Hast du gesagt, Frau Kurtz ist geil auf Wagner?«
»Auf seine Musik!«
Leo pfiff den Anfang des Hochzeitsmarschs aus Lohengrin. »Komischer Zufall«, sagte er. »Vorige Woche hat mir Tom, mein Kollege aus unserer Wohngemeinschaft, was von seiner neuesten Flamme vorgeschwärmt. Tom ist ein netter Kerl, passt aber in das Klischee, in das Kriminalkommissarinnen Fitnesstrainer und Animateure einordnen.«
»Da hat dir aber Line meine Bemerkungen sehr präzise übermittelt«, sagte Irma.
Leo ließ sich nicht beirren. »Okay, Frau Kripokommissarin. Aber jetzt drück den Hörer an dein niedliches Ohr und lausche meinen Worten: Tom ist ein notorischer Herzensbrecher und bevorzugt Damen, die begütert sind.«
»Komm zur Sache«, sagte Irma. »Mit dir möchte ich wirklich kein Verhör führen.«
»Also, der Tom nennt seine neue Flamme ›Walküre‹, weil sie dauernd Musik von Wagner hört. Mit einem MP3-Player. Tom muss mithören. Er sagte, wenn es ihm nicht nach fünf Minuten gelingt, den Stöpsel aus seinem Ohr zu mogeln, wird er von dieser Musik völlig meschugge. Tom beteuert, er hält den Wagner-Spleen dieser Dame nur aus, weil sie bildschön ist und Geld wie Heu hat.«
Irma hüstelte. »Geld mag sie ja nun haben, aber als bildschöne Dame scheidet sie aus. Das hab ich dir gestern bereits gesagt. Außerdem wäre das auch zu einfach.« Leo hörte,wie Irma Luft schnappte und sie genervt auspustete. »Vergiss es, mein Lieber. Es gibt keine Wunder, auch nicht auf Mallorca.«
»Du hast gestern gesagt, einem Ermittler müssen Zufälle zu Hilfe kommen, wenn er etwas herausfinden will.«
»Ja, das stimmt schon. Doch so viel Glück kann man nicht haben. Die Dame, die du mir als Frau Kurtz andrehen willst, passt einfach nicht in mein Beuteschema.«
»Immerhin möglich, dass sie aber in Toms Beuteschema passt. Manchmal hat er einen abstrakten Geschmack, was Frauen angeht.«
Irma wurde unsicher und lenkte ein. »Also gut, Leo. Wenn’s dir nichts ausmacht, dann frag Tom mal nach dem vollen Namen der Schönen.«
»Das hätte ich schon getan, aber leider kann ich Tom zurzeit nicht erreichen. Seit er diese Frau aufgerissen hat, übernachtet er nämlich nicht mehr im Hasenstall. Ich vermute, er ist zu ihr ins Hotel gezogen.«
»Weißt du wenigstens, in welches Hotel?«
»Tom hat mir vorige Woche mit stolzgeschwellter Brust berichtet, seine Schöne residiere im
Castillo
. Da sollte man mal nachschauen.«
»Ich denk drüber nach«, sagte Irma.
»Ruf mich an, wenn du nachgedacht hast. – Ab halb zwölf hab ich Pause.«
Irma zermarterte sich den Kopf. Die Sache mit Toms Flamme wäre einfach zu viel Zufall. Das hatte sie Leo aber nicht Knall auf Fall sagen wollen, um ihn nicht zu kränken. Schließlich pilgerte sie zu Cala Majors touristischer Einkaufsmeile und kaufte sich ein neues Handy.
Pünktlich um halb zwölf rief sie Leo an. »Hallo, Leo. Ich hab nachgedacht. Ich werde mir Toms Flamme mal angucken. Ich fahre jetzt zum Hotel
Castillo
. Das ist ja nicht weit.«
»Ich hab auch nachgedacht«, sagte Leo. »Ich hätte dir diesen Floh nicht ins Ohr
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