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Lenas Flucht

Lenas Flucht

Titel: Lenas Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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gefunden. Dieser alten Vettel alles ins Gesicht zu sagen, ihr die Kündigung auf den Tisch zu knallen und die Tür hinter sich zuzuwerfen war eine Sache. Mit dem Ergebnis fertig zu werden eine ganz andere.
    Wie erleichtert hatte Boris Amalia Petrownas Büro verlassen! Er war durch die stillen Straßen nach Hause gegangen und hatte gedacht, jetzt werde alles gut. In einem Jahr war er Facharzt, fand Arbeit in einer der neuen Kooperativenoder, wenn er Glück hatte, vielleicht auch in einer Privatklinik. Warum nicht? Ein hervorragender Fachmann wie er wurde überall gebraucht. Ja, jetzt mußte alles gut werden!
    Aber seine Hochstimmung war wie weggeblasen, als er am Morgen mit seiner Frau sprach. Regina fuhr hoch.
    »Bist du verrückt geworden? Und wovon werden wir jetzt leben?«
    »Weißt du überhaupt, was ich da machen mußte?«
    »Das weiß ich nicht und will ich auch nicht wissen. Du hast die Familie ernährt. Wenn ihr – du und die Sotowa – euch etwas in die Tasche gesteckt habt – das machen heute alle. Man darf sich nur nicht erwischen lassen.«
    »Hast du überhaupt eine Vorstellung, was dort vorgeht?« »Das interessiert mich nicht.«
    Damit war das Gespräch beendet.
    Simakow hatte seine Arbeit verloren. Nun konnte er durchaus auch noch seine Familie verlieren. Nach seiner edlen Geste konnte er sie nicht mehr ernähren, ja nicht einmal ihre Sicherheit garantieren. Amalia Petrownas Drohung war kein Bluff. Er hatte jetzt die Wahl: Entweder er kroch auf allen vieren zu ihr zurück und bat sie um Verzeihung, oder er mußte den Kampf aufnehmen. Das erste war schier unmöglich. Er würde jede Selbstachtung verlieren. Blieb das zweite – sich mit der Sotowa anzulegen. Warum eigentlich nicht? Das war der einzige Weg, seine Würde zu bewahren.
    Als er sich entschieden hatte, konnte Simakow endlich wieder schlafen.
     
    Die Tür, die zu dem geheimen Labor führen konnte, fand Walja hinter einer Ecke ganz am Ende des Korridors. Die hatte sie vorher nie bemerkt. Als sie genauer hinschaute, fiel ihr auf, daß sie sich von den anderen unterschied: Sie war aus Stahl, hatte ein besonderes Schloß und trug kein Namenschild. Walja hatte sie noch nie offenstehen sehen.
    Dort mußte es sein. Aber was hatte sie von dieser Erkenntnis? Da komme ich nie hinein, dachte sie. Nun galt esfestzustellen, wer dort ein und aus ging, ob man etwas hinein- oder heraustrug.
    Während Walja betont langsam zum Schwesternzimmer schlenderte, kam ihr in den Sinn, daß ihr Herumspionieren wohl wenig Sinn hatte. Sollte in ihrem Krankenhaus wirklich etwas so Schlimmes vorgehen, war das sicher kaum zu beweisen. So dumm waren die nicht …
    Die Tür zu dem kleinen Einzelzimmer, in das man Patienten nach einer Operation legte, stand offen. Walja glaubte von dort leises Schluchzen zu hören. In dem Zimmer war es dunkel und stickig. Die Frau in dem Krankenbett weinte bitterlich.
    »Was ist passiert?« fragte Walja leise. »Ist Ihnen nicht gut?«
    »Ja«, antwortete die Frau. »Mir ist schlecht. Ich wollte doch so gerne ein Mädchen. Es hat noch gelebt, ich hätte es durchgebracht.«
    »Hat man bei Ihnen künstliche Wehen ausgelöst?« fragte Walja und ließ sich auf die Bettkante nieder.
    »Ja. Aber sie haben gesagt, es war eine Fehlgeburt.«
    Walja nahm die Hand der Frau. Sie war eiskalt.
    »Soll ich Ihnen heißen Tee bringen?«
    »Sagen Sie mir vor allem, wie spät es ist.« Die Frau setzte sich auf.
    »Zehn vor elf.«
    »Wenn ich Ihnen eine Telefonnummer sage, können Sie bitte meinen Mann anrufen?«
    »Natürlich.«
     
    Georgi Gluschko starrte auf das Telefon. Als er abends von der Schicht gekommen war, hatte ihm seine Schwiegermutter, die auf die Kinder aufpaßte, gesagt: »Vom Frauenarzt haben sie angerufen. Lida ist zur Untersuchung ins Krankenhaus gebracht worden. In welches, haben sie nicht verraten.«
    Georgi wurde immer unruhiger. Die Schwiegermutter bereitetefür ihn und die Kinder noch das Abendessen und fuhr dann nach Hause.
    »Wenn du was hörst, ruf mich sofort an«, legte sie ihm ans Herz, als sie ging. »Egal, wie spät es ist.«
    Um zehn Uhr brachte Georgi die Kinder ins Bett, las ihnen das nächste Kapitel aus »Pippi Langstrumpf« vor, löschte im Kinderzimmer das Licht und setzte sich in die Küche. Als der Teekessel auf dem Feuer stand, zündete er sich eine Zigarette an und grübelte darüber nach, was mit Lida passiert sein könnte.
    Auf dem Korridor hörte er das Getrappel nackter Füße. In der Tür erschien der zweijährige

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