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Lenas Tagebuch

Lenas Tagebuch

Titel: Lenas Tagebuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Muchina
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ist sehr schwer, aber so langsam gewöhne ich mich daran. Dafür bin ich an meinen Diensttagen satt und bekomme die Lebensmittelkarte der ersten Kategorie mit 400 g Brot am Tag.

    Seitdem wir damals abends die Nachricht an Wowa gedichtet haben und uns verabredet haben, uns am nächsten Tag zu sehen, habe ich Tamara nicht gesehen. Gestern habe ich eine Nachricht an sie geschrieben und Rosalija Pawlowna gebeten, sie Osja zu geben, damit er sie Tamara gibt. Deshalb weiß ich bis heute nichts über das Schicksal meiner Botschaft an Wowa. Aber ich bereue nicht ein bisschen, dass ich ihm in so scharfen Worten geschrieben habe.

    Einmal während eines Fliegeralarms habe ich mich mit Ida Issajewna über die Freundschaft zwischen Männern und Frauen unterhalten. Lieben kann man doch nur einen, aber neben der Liebe kann man mit vielen Männern befreundet sein. Ida Issajewna erzählte mir, sie hätte, als sie 17 Jahre alt war, Freunde unter den Jungen gehabt. Und bis heute wird diese Freundschaft durch nichts getrübt. In ihrer Klasse waren sie zu fünft befreun­det, zwei Mädchen und drei Jungen.
    Wir sind ja auch zwei Mädchen: Tamara und ich, und drei Jungen: Wowa, Mischa, Janja. Warum sind wir nicht miteinander befreundet – ich weiß es nicht. Mögen die Jungen uns etwa nicht – nein. Würden sie etwa nicht als Freunde passen – auch nein, im Gegenteil. Genau mit diesem Typ Jungen, wie sie es sind, kann man befreundet sein. Was ist denn los? Ich weiß es nicht. Aber meiner Meinung nach wissen wir nicht, wie wir einander näherkommen können.
    Es ist schade, richtig schade. In den rauen Tagen des Krieges sind wir fünf die Einzigen aus der ganzen Klasse, die in Leningrad geblieben sind. In dieser Zeit hätten wir uns so gut für das ganze Leben anfreunden können! Niemand stört uns ja. Kein Dima, keine Emma, keine Rosa, keine anderen Mädchen. Aber!
    Tamara und ich sind von Natur aus nicht besonders stürmisch. Die Jungen sind auch irgendwie distanziert. Unser Verhältnis ist irgendwie gespannt, wir gehen zu respektvoll miteinander um. Und außerdem passt Janja nicht besonders gut dazu. Er ist so ein Professor. Wie kann man mit ihm befreundet sein? Wir könnten uns anfreunden, wenn unser Verhältnis einfach, unkompliziert wäre. Ein gewöhnliches Verhältnis zwischen Jungs und Mädchen. Wenn wir nur einander gefallen, sie mit uns anbändeln und wir uns anständig benehmen würden …
    5. [Oktober]
    In der Nacht vom 4. auf den 5. war es noch schlimmer als in der vorangegangenen. Es gab zwar nur vier Fliegeralarme und nicht sechs. Aber wie fürchterlich die waren. Der Boden zitterte ununterbrochen von den Explosionen der Sprengbomben. Während des zweiten Alarms saß ich neben zwei Frauen, einer jüngeren und einer älteren. Die junge Frau weinte und klagte die ganze Zeit. Bald erfuhren wir von ihr, was sie während des ersten Fliegeralarms durchlebt hatten. Sie sind direkt aus der Straßenbahn in einen der Luft­schutz­keller auf dem Sagorodny-Prospekt gekommen. Sie (Mutter und Tochter) sind eben in diesen Lufschutzkeller hereingekommen, aber viele, vor allem Männer, blieben vor dem Eingang stehen. Und in diesem Moment schlug eine Bombe ein und schüttete den Eingang zum Luftschutzkeller zu, und alle, die sich am Eingang befunden hatten, wurden verschüttet. Diejenigen, die drinnen waren, blieben am Leben, nur die Decke senkte sich ein wenig. Sie hoben eines der Fenster aus und kletterten hinaus. Sie sahen, wie die Verschütteten ausgegraben wurden, viele waren am Leben geblieben, aber wahnsinnig geworden.
    Während des dritten Alarms passierte Folgendes: Ich wachte vom Hin und Her im Korridor auf, gleichzeitig heulte die Sirene. Ich zog mich schneller an als die anderen und rannte hinunter. Vom Hof hörte ich laute und erregte Stimmen. Ich warf einen Blick in den Hof. Ich hörte: »Es brennt, es brennt unter dem Torbogen und auf dem Dachboden!« Ich verstand nichts Zusammenhängendes, verstand nur, dass irgendwas in unserem Haus brannte. Ich rannte im Laufschritt zu uns, warnte die Unsrigen vor der Gefahr und lief in den Luftschutzkeller hinunter. Da war es voll. Irgendwelche halb angezogenen Menschen mit Kindern, großen Koffern saßen und standen. Dann ging die Schießerei los.
    12. Oktober
    Ich werde als Sanitäterin im Militärhospital arbeiten. Ich werde verletzten Soldaten helfen. Ich bin Ida Issajewna sehr dankbar. Das hat sie alles arrangiert. Ich werde denjenigen helfen, dank denen ich noch ein Dach über

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