Lenke meine Fuesse Herr
Ginster, Wacholder, Heide. Und der Kalkstein, der durch die dünne Vegetationsdecke schaut, ist tatsächlich kreideweiß. Es geht lange auf den meist kahlen Bergrücken — wenn hier Ziegen weideten, wäre die Karstheide vollkommen, so wird das Ganze im Laufe der Jahre wohl verbuschen.
Auf einem gemütlichen Picknickplatz kurz vor Lascabanes mache ich Rast, trinke Tee und esse Banane und Brot. Hinab ins Tal — der Ort ist hübsch hergerichtet, alte, liebevoll restaurierte Häuser. Dann geht es wieder steil den Berg hinauf und weiter auf Schäferpfaden über die Hochfläche. Eine hübsche, deutsch sprechende Französin spricht mich an: Sie wartet hier auf ihren Freund. Wir amüsieren uns gemeinsam über das Paar zer-fledderter Wanderstiefel, die hier jemand einfach an einen Baum gehängt hat, sie schenkt mir ein paar Aprikosen und wünscht mir „Bonne route!“
Jetzt taucht der mächtige Donjon von Montcuq auf. Mittlerweile haben sich die Wolken fast verflüchtigt und es ist heiß geworden. Im Ort sind Läden, Post, Kirche — alles zu. Ich habe Durst und Hunger, also lasse ich mich vor dem „Restaurant Sud“ nieder, trinke ein Bier und esse einen hervorragenden Salat mit Nüssen, Entenbrüstchen und Käse. Tut gut! Als ich fertig bin, haben auch die Läden wieder offen. Ich kaufe ein paar Postkarten und einen neuen Schreiber — der alte hatte sich in seine Einzelteile aufgelöst.
Ich finde die Post, die in zehn Minuten aufmacht, und komme beim Warten mit einem englischen Ehepaar ins Gespräch. Sie gehören zu den vielen Engländern, die sich hier niedergelassen haben: „Vor zehn Jahren hat man uns die Häuser hier noch nachgeschmissen, but now you can hardly afford a small cottage!“ Auch sie fragen mich nach dem Woher und Wohin und als ich Auskunft gebe, sind sie recht beeindruckt und wünschen mir herzlich „Good luck!“ In der Post werde ich für 5,00 € meinen vorbereiteten Umschlag mit Postkarten, Bilder-CD und einem Baumwoll-T-Shirt los (522 g).
Ich lese den Führer anscheinend nicht ganz richtig und schaue auch nicht auf die Karte: Ich verlasse den Ort nach Südwesten die Straße entlang und wundere mich nur, dass ich keine Markierungen sehe. Die Karte ist wenig hilfreich, ich erkenne nur, dass ich nach Osten muss. Ein Weg ist eingezeichnet, der über den Berg nach Chat de Cerry führt. Ich nehme den Weg, den ich dafür halte und lande im Busch: Hier ist die Welt zu Ende. Noch weiter nach Süden und den nächsten Weg nehmen? Zu unsicher! Zurück in den Ort! Mühsam schlage ich mich über Feldraine und durch übermannshohen Mais nach Norden durch und als ich wieder im Ort bin, ist es halb vier. Über eine Stunde habe ich verloren! Wieder auf dem markierten Weg geht es an einer vornehm renovierten Mühle vorbei — das wäre was, um sich hier anzusiedeln und eine Pilgerherberge aufzumachen. Jetzt hoch in den Berg. Die Sonne brennt und ich bin heute schon über 30 Kilometer gelaufen. Die nächste Gîte ist meine! Gott sei Dank bin ich jetzt im Wald, es geht hinab ins Tal, über einen Bach — da ist ein Bauernhof, an dem kalte Drinks und Nüsse zu kaufen sind. Ich trinke mich satt und nehme einen Beutel Walnüsse mit. Endlich kommt Montlauzun in Sicht, wo ich eine Gîte weiß. Der Chemin führt am Dorf vorbei, doch ich biege rechts ab, schleppe mich den steilen Berghoch Richtung Ort, und da steht „Altes Pfarrhaus“ und „Empfang“. Ich überlege noch, ob es das wohl sei, da spricht mich hoch oben von der Mauer ein Engländer an: „You have made it — come in!“
Christoffer und Eileen sind selbst von Le Puy nach Santiago gegangen und haben dann das alte Pfarrhaus samt aufgelassener Kirche gekauft, renoviert und hier eine Pilgerunterkunft geschaffen. Ich werde mit Minz-Limonade traktiert, als ich aus der Dusche komme und es tut gut, sich wieder einmal in einer Sprache zu unterhalten, von der man mehr kann als nur ein paar Brocken! Ich sitze grade über meinem dritten Minzedrink, da kommt der Franzose mit den beiden Frauen, die ich heute früh überholt habe (die Dessous sind inzwischen in den Rucksäcken verschwunden) und fünf Minuten später hat Christoffer vier Gäste — aber ich ein Zimmer für mich alleine!
Mit Christoffer und den Franzosen sitze ich dann im Garten und dolmetsche: Er spricht kein Französisch! Das Abendessen wird eine vergnügliche Angelegenheit, mit indischem Curry, auf englisch zubereitet (Geschmackssache), Wein, Bier und angeregter Unterhaltung. Was mich nur
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