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Lennox 01 - Lennox

Titel: Lennox 01 - Lennox Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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Projektor einschaltete und das Deckenlicht löschte. Ein Titel flimmerte auf der Leinwand: Heiße Hausfrauen. Der Schwarzweißfilm wurde stumm abgespielt, sodass ich ihre Stimme nicht hören konnte, aber ich erkannte augenblicklich eine jüngere Lillian Andrews, die einem Vertreter die Tür öffnete.
    »Das ist sie«, sagte ich. »Aber sie sieht anders aus.«
    »Jünger. Wir haben den Streifen vor ungefähr fünf, sechs Jahren gedreht«, erklärte der Bankier. Mittlerweile beglückte Lillian/ Sally den Vertreter mit einem beeindruckend professionellen Blowjob. »Sally hat ungefähr sechs Monate lang für uns gearbeitet. Ein Naturtalent. Man könnte sagen, sie war maßgeschneidert für den Job. Wir boten ihr mehr Geld, als wir einer unserer Schauspielerinnen je gezahlt haben, damit sie bleibt, aber sie wollte nicht. Wir haben nie mehr von ihr gehört. Aber sie war eins von den Mädchen, die man nie mehr vergisst.«
    »Wo haben Sie sie denn gefunden?«
    »Wir hatten damals bekannt gegeben, dass wir nach neuen Talenten suchen. Einer unserer Kontaktleute hat uns auf Sally gebracht. Sie und ihre Schwester kamen zum Vorspielen.« Ich versuchte mir nicht auszumalen, was beim Vorspielen für einen Schmuddelfilm so alles gezeigt werden musste. »Ich bin mir nicht sicher, aber ich halte es für möglich, dass sie in Edinburgh in einem Puff gearbeitet hat.«
    Ich wandte mich wieder der Leinwand zu. Lillian und der Vertreter hatten mittlerweile Geschlechtsverkehr in einer schier unmöglichen, auf jeden Fall unbequemen Körperhaltung auf einem Belfaster Spülbecken. Ich erinnerte mich an mein erstes Treffen mit John Andrews: aufgeblasen, schroff verlegen, doch in verzweifelter Sorge um die Frau, die er liebte. Es war mehr als eine Heirat wegen seines Geldes: Es war Schiebung.
    »Okay«, sagte ich. »Ich habe genug gesehen. Also ist Sally Blane ihr richtiger Name?«
    Der Boxer schaltete den Projektor aus, und die Lampen wurden wieder hell.
    »Das weiß ich nicht«, sagte der Bankier. »Wir zahlen grundsätzlich nur bar. Keine Steuer, keine Namen, keine Reue. Ich vermute aber, dass es ein Pseudonym war. Ihre Schwester hat auch für uns gearbeitet und benutzte einen völlig anderen Künstlernamen.«
    Der Boxer legte die Filmrolle zurück in die Dose und stapelte sie auf ein paar andere. Dann reichte er mir einen braunen Briefumschlag im Kanzleiformat.
    »Das sind Standfotos aus Filmen, die Sally für uns gedreht hat.« Die Stimme des Boxers triefte von lang gezogenen Edinburgher Vokalen. »Wir dachten, vielleicht können Sie Abzüge brauchen. Falls Sie Beweise benötigen.«
    »Danke«, sagte ich. Ich hatte ein mieses Gefühl, als ich an die nicht allzu ferne Zukunft dachte, wenn ich John Andrews Fotos von seiner Frau zeigen musste, auf denen sie bezahlten Sex hatte. Ich hätte die Sache sein lassen sollen, als es noch möglich gewesen war. Ich konnte noch immer alles vergessen. Aber ich wusste, das würde ich nicht.
     
    Jonny Cohen setzte seine beiden Schläger an einem seiner Nachtklubs ab und fuhr mich dann wieder zu dem italienischen Restaurant, vor dem mein Wagen stand.
    »Das war nett von Ihnen, Jonny«, sagte ich. »Ich meine, so viel Aufhebens um eine Sache, die für Sie ohne Belang ist. Ich weiß das zu schätzen.« Als ich aussteigen wollte, legte er mir seine von einem Fahrerhandschuh umschlossene Hand auf den Unterarm.
    »Denken Sie sich nichts dabei, Lennox. Sie sind mir etwas schuldig. Eines Tages bitte ich Sie vielleicht um einen Gefallen.«
    Ich dachte einen Augenblick über diese Bemerkung nach; dann nickte ich. »Das ist nur fair, Jonny.«
    Ich blieb stehen und sah dem dunkelgrünen Riley hinterher, als er schnurrend in der Ferne verschwand. Irgendwo tief in mir verspürte ich Unbehagen. Ich arbeitete für Sneddon; jetzt aber war ich Jonny Cohen verpflichtet. Ich ließ mich immer tiefer in einen Fall hineinziehen, für den ich nicht mehr bezahlt wurde. Ich war sicher, schlimmer konnte es kaum kommen.
    Doch da irrte ich mich.

12
     
    Ich erinnere mich, dass ich vor dem Krieg einen Zirkusfilm gesehen habe, in dem der Löwenbändiger den Kopf ins Maul eines Löwen steckt. Ich weiß noch, dass ich es für ziemlich bescheuert gehalten habe, sich auf diese Weise sein Geld zu verdienen. Jetzt steckte ich selber in dieser Lage. Ein König war noch übrig. Hammer Murphy.
    In Glasgow ist ein Name wie Murphy so etwas wie ein Aushängeschild. Man stellt damit klar, woher man kommt und zu wem man gehört. Und seine Religion.

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