Lennox 01 - Lennox
mit einer Schaufel aufkratzen, was vom Kopf seines ehemaligen Bosses übrig war.
So hatte »Hammer« Murphy sich seinen Spitznamen verdient.
Jeder erfuhr davon, auch die Polizei.
Murphy wurde verhaftet. Es wäre durchaus möglich gewesen, dass er am Galgen endete, doch er war bereits zur Legende geworden. Die Angst, die ihn umgab, grenzte an Aberglauben. Vielleicht glaubten einige Zeugen, die gegen ihn hätten aussagen können, dass er nach seiner Hinrichtung als Geist wiederkäme, um sich an ihnen zu rächen.
Die Polizei wusste, dass Murphy der Mörder Cochranes war. Sie wusste, wo, wann und wie es geschehen war. Trotzdem kam keine Anklage gegen Murphy zustande. Er wurde auf freien Fuß gesetzt.
Bald darauf endeten zwei weitere Bosse durch Murphys Hammer.
Danach breitete seine Gang sich über die West Side von Glasgow aus wie Mehltau. Sie wuchs zu einer solchen Größe heran, dass Murphy bald nur noch zwei Hindernisse von der absoluten Herrschaft über Glasgow trennten: Willie Sneddon und Jonny Cohen, die beiden erfolgreichsten Schwarzmarktschieber der Stadt in der Nachkriegszeit.
Nun wurde es erst richtig schmutzig. Der Zweite Weltkrieg war gerade zu Ende, und eine Menge Schusswaffen befanden sich illegal im Umlauf. Der Konflikt zwischen den drei noch ungekrönten Königen drohte Glasgow in ein neues Chicago zu verwandeln. Anfang ’49 taten sich Sneddon und Cohen zusammen und versetzten Hammer Murphy einen harten Schlag. Jede zweite Woche wurden Murphys Buchmacher von Cohens Leuten ausgeraubt. Die wichtigsten Leute in Murphys Gang wurden von Sneddons Gorillas zu Krüppeln geschlagen oder umgebracht. Gleichzeitig fügte Murphy sowohl Cohens als auch Sneddons Geschäften schwere Schäden zu. Der Krieg eskalierte. Erst nachdem Murphys Jaguar explodiert war, als er gerade einsteigen wollte, bot er einen Waffenstillstand an.
Die Drei-Könige-Abmachung war auf Jonny Cohens Mist gewachsen. Am 19. Oktober 1949 teilten die drei gewalttätigsten und mächtigsten Verbrecher Glasgows bei einem Mittagessen in der eleganten Art-Deco-Umgebung der Regent Oyster Bar die Stadt und deren profitabelste kriminelle Einnahmequellen unter sich auf. Das Treffen war gewissermaßen die Krönung der Drei Könige.
Die ausgehandelte Abmachung erwies sich als erfolgreiches und stabiles Arrangement. Heute, fünf Jahre später, werden rechtswidrige Geschäfte in Glasgow nach wie vor unter vergleichsweise friedlichen Umständen betrieben.
Doch Hammer Murphy stemmte sich ständig gegen die Fesseln, die diese Abmachung ihm anlegte. Jeder Buchmacher wettete darauf, dass es von Murphy ausgehen würde, sollte der Frieden je gebrochen werden. Wann immer ein Geschäft gemacht wurde, sorgte sich Murphy, dass die anderen beiden ihn übervorteilten. Außerdem beneidete er seine Rivalen um ihren Einfluss bei der Polizei – eine Unterstützung, die er sich nie hatte verschaffen können. Und wurde jemand aus seiner Gang festgenommen, hatte Murphy jedes Mal den Verdacht, dass Sneddon oder Cohen die Verhaftung von Polizisten vornehmen ließen, die auf ihrer Schmiergeldliste standen. Murphy war launisch, unberechenbar und misstrauisch bis an den Rand des Verfolgungswahns. Und die Wut, die er in seinem Innern mit sich herumtrug, konnte er kaum im Zaum halten.
Ausgerechnet bei diesem Mann musste ich nun in Erfahrung bringen, ob er mir Informationen über den Mord an Tam McGahern vorenthielt.
Auf gar keinen Fall konnte ich einfach vor Hammer Murphys Tür auftauchen wie bei Cohen oder Sneddon. Ich rief ihn von meinem Büro aus an, bekam aber nur einen von seinen Gorillas an den Apparat und hinterließ eine Nachricht, in der ich behutsam und mit unverfänglichen Worten darlegte, worüber ich mit dem Boss sprechen wollte. Mir wurde gesagt, ich solle mich am nächsten Tag noch einmal melden.
Doch ich bekam meine Antwort binnen weniger Stunden.
Nach dem Anruf bei Murphy wählte ich John Andrews’ Büronummer und gab wieder meinen Kodenamen und die falsche Firma an. Er nahm das Gespräch gar nicht erst entgegen. Ich versicherte seiner Sekretärin, es sei dringend, und sie versuchte es noch einmal, doch erneut wurde ich abgewiesen. In gewisser Weise war ich froh, ihm die Standfotos von seiner Frau noch nicht zeigen zu müssen. Wieder musste ich daran denken, wie leicht es wäre, die ganze scheußliche Geschichte einfach hinter mir zu lassen. Doch wenn ich kniff, verlor ich den letzten Rest Anstand, der mir noch geblieben war.
Ich hatte die Gewohnheit,
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