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Lennox 01 - Lennox

Titel: Lennox 01 - Lennox Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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in einer Teestube an der Ecke der Argyle Street zu Mittag zu essen. Die großen Panoramafenster, die hohe gewölbte Decke und der schwarze Marmor erinnerten mich irgendwie an ein Lokal in Saint John, in das meine Eltern mich öfters mitgenommen hatten, als ich in New Brunswick aufgewachsen war.
    Ich war auf dem Weg in besagte Teestube, als mich zwei Typen in dunklen Straßenanzügen und Schlägervisagen in die Mitte nahmen.
    »Mr. Murphy schickt uns. Er will Sie sehen. Steigen Sie ins Taxi«, sagte einer meiner Begleiter und zeigte auf einen schwarzen Wagen, der an den Straßenrand fuhr. Ich ließ mich hineinsetzen und versuchte nicht daran zu denken, dass es Murphys Markenzeichen war, Leute auf diese Art von der Straße zu pflücken, wahrscheinlich – angesichts ihrer offensichtlichen Erfahrung – von den gleichen Gentlemen, die mich nun in das Auto verfrachtet hatten. Nur dass die anderen Fahrgäste eine Reise ohne Wiederkehr angetreten hatten.
    Sie brachten mich hinaus nach Baillieston, ein Ortsteil, der sich noch grauer und hässlicher als die anderen unter einem trüben Himmel ausbreitete. Der Schrottplatz, auf den wir fuhren, fügte sich nahtlos in die trostlose Umgebung. In einer Ecke des Geländes standen mehrere Schuppen in einer unordentlichen Reihe. Der silbergraue Bentley, der funkelnd wie die geschliffene Schneide eines Rasiermessers vor den schäbigen Baracken parkte, kündete so deutlich von Hammer Murphys Anwesenheit, als wäre auf einer Burg die offizielle Flagge der britischen Königin gehisst worden.
    Meine Begleiter führten mich in den größten Schuppen und warteten draußen. Hammer Murphy saß hinter dem Schreibtisch. Wie den Bentley, umgab auch ihn das Funkeln einer geschärften Klinge: ganz in graue Mohairwolle gekleidet, das Haar frisch frisiert und mit Pomade eingekleistert. Er hatte sich seit unserer letzten Begegnung kaum verändert, nur dass er sich einen bleistiftdünnen Schnurrbart hatte wachsen lassen. Dieser Ronald-Coleman-Look passte zu seinem zerschlagenen irischen Kartoffelgesicht genauso wenig wie sein Haarschnitt oder der Mohairanzug.
    Bei vielen Menschen fällt es schwer, sich vorzustellen, wie sie zu den extremsten Formen der Brutalität greifen können, weil ihre äußere Erscheinung nicht mit ihrem Hang zur Gewalttätigkeit in Einklang steht. Bei Hammer Murphy war das nicht der Fall: Er vermittelte den Eindruck, ständig kurz davor zu stehen, seine Faust in jemanden oder etwas zu rammen. Er wirkte unglaublich schwer und kompakt, als wäre sein Zorn eine Energie, die sämtliche Atome seines Körpers zusammenzöge.
    Ich überlegte, eine witzige Bemerkung zu dem neuen Schnurrbart zu machen, sagte mir dann aber, dass ich es vermutlich nicht überleben würde.
    »Hallo, Mr. Murphy. Sie wollten mich sprechen?«
    Murphy sah mich mit hasserfüllten Augen an. Mir war klar, dass ich es nicht persönlich nehmen durfte. Der Hass gehörte zu diesen Augen.
    »Ich hab gehört, Sie wollten mit mir reden«, erwiderte er. Sein breites Glasgower Englisch war noch immer von Galway gefärbt, von wo seine Eltern stammten. »Aber es ist was dazwischen gekommen. Etwas, das Sie mir erklären müssen.«
    »Wenn ich kann.«
    »Sie beschäftigen sich mit Tam McGaherns Tod und haben ein bisschen die Muskeln spielen lassen, hab ich gehört.«
    »Nicht mehr als nötig.«
    Murphy stand auf. »Kommen Sie mit.«
    Wir gingen hinaus und zu einem anderen Schuppen, wobei meine zweiköpfige Eskorte sich mir wieder anschloss. Einer der Gorillas öffnete das Vorhängeschloss, und wir betraten den Schuppen, in dem Teile von Autos lagerten, die draußen auf dem Schrottplatz ausgeschlachtet worden waren. Auf dem Boden lag irgendetwas Größeres, das in eine fleckige, ölige Decke gehüllt war. Das Bündel besaß in etwa die Größe eines menschlichen Körpers. Meine Pulsfrequenz schnellte in die Höhe. Was immer in diese Decke gehüllt war, ich wollte es nicht sehen. Jeder wusste, dass Hammer Murphy gnadenlos tötete, doch niemand – am wenigsten ich – wollte gerichtsverwertbarer Zeuge einer solchen Tat oder deren blutigem Ergebnis werden. So etwas konnte eine vielversprechende Laufbahn ganz schnell beenden.
    »Hören Sie, Mr. Murphy ...«
    »Halt die Fresse und sieh hin«, sagte er. Einer der Gorillas schloss die Tür hinter uns. Ich hielt die Fresse und sah hin. Der andere Schläger zog die Decke vom Gesicht der Leiche.
    »Ach du Scheiße«, murmelte ich.
    »Waren Sie das?«, fragte Murphy.
    »Ich? Himmel,

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