Lennox 01 - Lennox
etwas vor: Es war nicht Geldmangel, der mich hier gehalten hatte. Wenn ich nach Kanada zurückging, würde jeder die Rückkehr des Jungen vom Kennebecasis erwarten – jenes Jungen, der ich mal war, mit dem ich aber nichts mehr zu tun hatte. Wahrscheinlich bin ich nie dieser Junge gewesen; in Wirklichkeit hatte immer etwas anderes in mir gesteckt. Ein schlechter Keim, den der Krieg hatte aufgehen lassen. Es gab viele Adjektive, die beschrieben, wie Männer aus dem Krieg heimkehren: verändert, desillusioniert, tot. Das Adjektiv, das ich für mich selbst benutzte, war »schmutzig«. Ich war schmutzig aus dem Krieg gekommen, und ich wollte nicht nach Kanada zurück, ehe ich mich wieder sauber fühlte. Doch während die Zeit verging und ich mit den Leuten zu tun hatte, mit denen ich es nun mal zu tun hatte, wurde ich immer schmutziger.
Ich nahm mir vor, das zu ändern. Als ich mich wusch, rasierte und anzog, überlegte ich, wie ich aus dem Fall McGahern herauskommen könnte, ohne meinen neuen Schatz zu verlieren, den ich nun sicher unter den Bodenbrettern verstaut hatte. Entschlossen, die McGahern-Geschichte hinter mir zu lassen, begann ich den Tag in beschwingter Stimmung.
Sie sollte nicht lange anhalten.
18
Jock Ferguson war es, der mir die Tour vermasselte, wenn auch mit den besten Absichten. Und auf meine eigene Bitte hin.
Weil Ferguson den Halter des Bedford-Lieferwagens ermittelt hatte, lud ich ihn zum Dank zum Mittagessen ins Trieste ein. Näher käme ich bei ihm niemals an eine Bestechung heran. Zuerst lehnte er ab und sagte, eine Pastete und ein Bier im Horsehead wären genug, doch ich bestand darauf, und kurz nach eins trafen wir uns.
»Ich glaube, ich hab’s schon mal gesagt, Sie führen ein interessantes Leben, Lennox.« Ferguson beäugte mich mit dem gleichen Misstrauen, mit dem er seine Spaghetti gemustert hatte, als sie ihm serviert wurden. »Ich habe die Nummer des Lieferwagens überprüft, die Sie mir gegeben haben.«
»Und?«
»Sie hat nichts mit dem Fall McGahern zu tun.«
Das glaubst du vielleicht, dachte ich. So ein Zufall, dass ein Lieferwagen voller schwerer Jungs ausgerechnet an der Stelle hinter mir parkt, an die ich mit dem Versprechen auf Informationen über Tam McGahern gelockt worden war.
»Wem gehört der Wagen?«
»Sie sollten überlegen, Anzeige zu erstatten. Da ist irgendwas nicht sauber.«
»Jock ...«, sagte ich ungeduldig.
»Der registrierte Eigentümer des Bedfords ist CCI.« Ferguson schob Namen und Adresse über den Resopaltisch. »Clyde Consolidated Importing.«
»John Andrews’ Firma?«
»Genau. Offenbar ist er doch nicht so sauber, wie Sie dachten. Sie haben da irgendetwas aufgerührt.«
Das also war es. Ich versuchte mir den Schock, der mich durchfuhr, nicht anmerken zu lassen. Gerade als ich dachte, ich könnte die Finger vom McGahern-Fall lassen. In dem Anruf, der mich zur Central Station geführt hatte, war es ausdrücklich um Tam McGahern gegangen; dann, nachdem niemand aufgetaucht war, wurde ich von Gorillas aus einem Lieferwagen überfallen, der John Andrews’ Firma gehörte. Worin Lillian Andrews auch verwickelt war – und ich wusste, dass es Lillian war und nicht John Andrews –, es hing irgendwie mit Tam oder Frankie McGahern zusammen. Ich war sicher, John Andrews die ganze Zeit richtig eingeschätzt zu haben. Also war Lillian die Drahtzieherin.
»Alles in Ordnung?« Ferguson musterte mich verwundert. Sein Kinn war mit Tomatensauce gestreift, wo die Spaghetti darübergepeitscht waren. »Sie wirkten ein bisschen verblüfft.«
»Wie sind die Spaghetti?« Mit einer Kopfbewegung wies ich auf sein Kinn, und er wischte es sauber.
»Wirklich gut. Esse ich zum ersten Mal. Bin noch nie in einem italienischen Restaurant gewesen. Sind Sie überrascht?«
»Die kulturelle Armut der Glasgower überrascht mich immer wieder.«
»Das habe ich nicht gemeint, Sie Blödmann. Sind Sie überrascht, dass es einer von John Andrews’ Firmenwagen war?«
Ich steckte mir eine Zigarette an, lehnte mich zurück und grinste. »Heutzutage überrascht mich überhaupt nichts.«
Ich hatte John Andrews anrufen wollen, überlegte es mir aber anders. Warum sollte er das Gespräch jetzt annehmen? Außerdem vermutete ich, dass Lillian und ihre Komplizen mittlerweile seine Telefonate abhörten, wahrscheinlich auch die im Büro. Ich musste mir etwas einfallen lassen, wie ich Andrews allein treffen konnte. Vielleicht konnte ich ihn auf dem Weg zur Arbeit abfangen. Ich musste
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