Lennox 01 - Lennox
Deshalb rufe ich Sie an. Ich bin ein toter Mann, aber Sie kommen vielleicht noch heil aus der Sache raus.«
»Sie reden wirres Zeug. Wie hat man Sie reingelegt? Und wie hat man mich reingelegt?«
»Indem diese Leute mich benutzt haben. Es tut mir leid ...«, sagte er, und ich wusste, dass es ihm ernst war. »Als Lillian verschwand ... angeblich verschwand ... sie haben mir befohlen, Sie zu beauftragen. Sie wollten, dass Sie in die Sache verwickelt werden.«
Ich dachte über Andrews’ Worte nach. Viel Sinn ergaben sie nicht; dennoch hatte ich ein eiskaltes Gefühl im Magen, denn irgendwo in meinem Innern leuchtete mir das alles trotzdem ein.
»Wo sind Sie jetzt?«, fragte ich. »Ich komme Sie abholen.«
»Nein, das ist gefährlich. Es ist nirgendwo sicher.« Er verstummte, und ich hörte den Hintergrundlärm einer Kneipe. »Helfen Sie mir, Lennox. Sie müssen mir helfen.«
Ich überlegte einen Augenblick, starrte auf die bräunliche Blümchentapete an der gegenüberliegenden Wand und spürte die Zugluft, die durch die Ritze unter der Haustür ins Zimmer drang. »Haben Sie Ihr Auto in der Nähe, Andrews?«
»Es steht vor der Tür.«
»Verlassen Sie das Lokal und steigen Sie in den Wagen. Sind Sie nüchtern genug, um zu fahren?«
»Ich glaub schon.«
»Dann steigen Sie ins Auto und verlassen Sie die Stadt. Richtung Norden. Nehmen Sie die Aberfoyle Road. Meiden Sie die Maryhill Road, fahren Sie nicht durch Bearsden und Drymen. Gehen Sie nicht in die Nähe Ihres Hauses oder Ihrer Firma. Halten Sie nirgendwo, um irgendetwas mitzunehmen. Fahren Sie nirgendwo anders hin und halten Sie nicht an. Haben Sie verstanden?«
»Ja. Ich halte nirgendwo an.« Ich merkte, dass meine Zielstrebigkeit ihm Kraft einflößte.
»Am Nordufer von Loch Lomond ist ein Hotel, das Royal. Kennen Sie es?«
»Ich weiß, wo es ist.«
»Fahren Sie sofort dorthin und tragen Sie sich mit falschem Namen ein. Ich treffe Sie dort später. Nennen Sie sich Jones ... nein, nennen Sie sich Mr. Fraser, dann weiß ich, nach wem ich fragen muss. Können Sie mir folgen?«
»Ja. Royal Hotel, Mr. Fraser.«
»Wie ich schon sagte, nehmen Sie nichts mit. Ich bringe Ihnen Kleidung zum Wechseln und eine Zahnbürste mit, und was Sie sonst noch brauchen. Hören Sie gut zu, Mr. Andrews, ich hole Sie aus dieser Klemme. Ich verspreche es.«
»Danke, Lennox.« Seine Stimme bebte. Der Mann stand so nahe vor dem Zusammenbruch, wie es nur irgend ging. Er hatte aufgegeben, und hatte jetzt Mühe, die Tatsache zu akzeptieren, dass vielleicht doch noch Hoffnung bestand. »Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll.«
»Indem Sie mir alles erzählen, was Sie über die Pläne Lillians und ihrer Komplizen wissen, sobald ich bei Ihnen bin.«
»Warum tun Sie das? Warum helfen Sie mir?«
»Sie sind mein Klient, Mr. Andrews. Oder ich habe zu viele Wildwestfilme gesehen. Heute bin ich mal an der Reihe, den weißen Hut zu tragen.« Ich lachte bitter über meinen eigenen Scherz. »Nennen Sie mich Kennebecasis Kid.«
Nachdem ich aufgelegt hatte, eilte ich nach oben, warf für Andrews ein paar Sachen in eine Reisetasche und nahm meine Schlüssel und mein Jackett. Ich war halb die Treppe herunter, als ich mich zügelte. Ich ging wieder hinauf und schloss die Tür zu meiner Wohnung auf. Ich nahm den gebogenen Nagel aus der Vase auf dem Kaminsims und kroch unter mein Bett. Mit dem Nagel hebelte ich das Bodenbrett hoch und griff in den Hohlraum. Ich ertastete das in Öltuch eingeschlagene Bündel, nahm es heraus und legte meinen Regenmantel darüber, ehe ich wieder die Treppe hinunterstieg und auf die Straße trat. Ich legte das Bündel auf den Beifahrersitz und bedeckte es mit dem Mantel. Jede dieser Bewegungen führte ich rasch und mechanisch aus. Ich wollte lieber nicht darüber nachdenken, auf was ich mich einließ.
Doch wenn ich ehrlich war, hatte John Andrews’ Anruf mir eine Gänsehaut verursacht. Wie immer die Verbindung zwischen Lillian und Tam McGahern ausgesehen hatte – das Ding, das sie geplant hatten, war eine große Sache. Sie hatten monatelang daran gearbeitet, seit es Lillian gelungen war, Andrews ins Netz zu locken, einen naiven, einsamen Witwer mit einem Geschäft, das sie kontrollieren mussten, damit sie ihren Plan in die Tat umsetzen konnten. Als ich aus der Stadt fuhr, versuchte ich nachzudenken, so ruhig ich konnte. Worin bestand die Verbindung zwischen McGahern und Lillian? Sie hätte die »Mrs. McGahern« gewesen sein können, die das Haus im West
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