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Lennox 02 - Lennox Rückkehr

Lennox 02 - Lennox Rückkehr

Titel: Lennox 02 - Lennox Rückkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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Stumme bei Beerdigungen dabeihatten? Berufsmäßige Trauerer. Jedenfalls, jetzt sorge ich für Singer. Stimmt’s, Singer?«
    Singer nickte.
    »Und Singer sorgt für mich. Und für meine Interessen.«
***
    Dass Twinkletoes auf dem Rückweg in die Stadt nicht im Wagen saß, war mir so überdeutlich bewusst, als hätte er ein Loch des Schweigens und der Leere hinterlassen. Ich nahm mir eine Player’s Navy Blue und bot Singer aus dem Päckchen an, aber er schüttelte den Kopf, ohne die Augen von der Straße zu nehmen. Er war so jemand. Immer konzentriert. Ich hatte vergessen, wo genau ich den Wagen hatte stehen lassen, aber Singer fand ihn auf Anhieb.
    »Danke«, sagte ich beim Aussteigen. Singer wollte weiterfahren, als ich aus dem Impuls heraus an die Seitenscheibe klopfte. Er kurbelte das Fenster herunter.
    »Hören Sie, ich wollte nur sagen ...« Was? Was zum Teufel wollte ich sagen? »Ich wollte nur sagen, dass mir die Bemerkungen leidtun, die ich gemacht habe. Sie wissen schon ... darüber, dass Sie nicht reden. Ich wusste nicht ... na ja, Sie wissen schon. Das war Scheiße ...« Ich verstummte. Es war das Beste für uns beide, nachdem ich offenbar verlernt hatte, zusammenhängende Sätze zu bilden.
    Singer sah mich kurz an, in seiner kalten, ausdruckslosen Art. Dann nickte er und fuhr davon. Ich stand am Straßenrand und sah dem Sheerline hinterher, bis er um die Ecke verschwand. Ich fragte mich, weshalb ich nach allem, was ich im Leben schon gesehen und getan hatte, das Bedürfnis gehabt hatte, mich bei einem billigen Glasgower Gangster zu entschuldigen. Vielleicht lag es daran, dass Singer die ganze Scheiße als kleiner Junge miterlebt hatte. So etwas sollte einem Kind erspart bleiben. Du liebe Zeit, was Kindern so alles widerfahren konnte. Im Krieg. Im eigenen Zuhause.
    Nicht zum ersten Mal sann ich über das farbige Leben nach, das ich mir hier in Glasgow geschaffen hatte. Und was für interessante Menschen ich kennenlernte.

3.
    Es ist schon komisch: Damals dachte ich von der Woche nach dem Mord an Small Change gar nicht als »die Woche nach dem Mord an Small Change«. Ich hatte mir über andere Dinge Gedanken zu machen und andere Dinge zu erledigen. Oft begreift man erst im Rückblick, wie sehr ein bestimmter Moment das Leben beeinflusst hat. Wenn man ihn erlebt, kommt es einem vor wie der gleiche alte Mist, und man stolpert hindurch, ohne zu ahnen, dass man am besten ein Tagebuch führen oder alles fotografieren sollte. Dann konnte man später im Leben zurückblicken und sich sagen: Mann, hätte ich damals nur gewusst, was wirklich Sache war.
    In dieser Woche besuchte ich Lorna natürlich jeden Tag. Und natürlich hielt ich die Pfoten von ihren Schlüpfern fern. Ich bin schließlich ein Gentleman. Außerdem wusste ich aus Erfahrung, dass die Trauer auch bei der begeistertsten Bettgenossin die Leidenschaft arg zusammenschmelzen lässt. Nicht der Tod als solcher bewirkt das, sondern die Trauer. Im Krieg habe ich gelernt, dass Tod und Gewalt für beide Geschlechter sehr wirksame Aphrodisiaka sein können. Belassen wir es dabei, dass ich der fürsorglichste und züchtigste Freier war, den man sich denken kann.
    Um ehrlich zu sein, hatte ich Ablenkung.
    Man sagt, Eskimos hätten hundert verschiedene Wörter für Schnee. Glasgower müssen doppelt so viele Begriffe für die verschiedenen Sorten Regen besitzen, der im Laufe eines Jahres so auf ihre Stadt niedergeht. Im Winter liegt Glasgow unter feuchtkaltem Trommelfeuer; im Sommer fällt der Regen in schmierigen, lauwarmen Klecksen, als schwitzte der Himmel auf die Stadt.
    In diesem Jahr erlebte Glasgow einen völlig untypisch trockenen und sengend heißen Sommer. Die Hälfte der Einwohnerschaft verbrachte den Großteil dieses Sommers damit, den Kopf zu heben, blinzelnd zum Himmel zu blicken und zu versuchen, das Wort »blau« zu bilden.
    Mich brachte das heiße Wetter ganz durcheinander. Normalerweise wird in Glasgow jeder Sonnenschein von einem rußigen Schleier abgeschwächt, den die Fabrikschlote und Hausschornsteine in die Luft pusten; in diesem Sommer jedoch erlebte ich desorientierende Augenblicke, in denen der Himmel aufklarte und die Hitze und das Licht mich an den Sommer zu Hause in New Brunswick erinnerten. Doch jedes Mal handelte es sich um eine flüchtige Illusion, immer wieder zerschmettert von der durch dunkle Rauchwolken geprägten Wirklichkeit der Stadt um mich her.
    Wenigstens konnte ich leichte Anzüge tragen, die besser saßen. Was Stoffe

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