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Lennox 02 - Lennox Rückkehr

Lennox 02 - Lennox Rückkehr

Titel: Lennox 02 - Lennox Rückkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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betraf, bevorzugten die Schotten jahrein, jahraus Tweed, je kratziger und dichter, desto besser. Ein schottischer Bekannter hat mir mal versichert, dass Tweed von der Isle of Harris weniger kratze; das komme daher, dass der Stoff nach alter Tradition mit menschlichem Urin getränkt werde. Vielleicht bin ich ein bisschen penibel, aber ich bevorzuge Couture, die nicht von irgendeinem inzestuösen Bauerntrampel bepisst worden ist.
    Ich hatte drei Tage damit verbracht, alles über Sneddons Boxer herauszufinden, was sich herausfinden ließ. Bobby Kirkcaldy war in Glasgow geboren, aber in Lanarkshire aufgewachsen, zuerst in einem Waisenhaus, dann bei einer Tante. Beide Elternteile waren früh an Herzanfällen gestorben, als Bobby noch ein Kind war. Das ist tragisch, aber nicht ungewöhnlich: Wenn Herzkrankheiten eine Sportart wären, käme in dieser Disziplin das gesamte britische Olympiateam aus Glasgow.
    Der junge Bobby Kirkcaldy hatte sich mit seinen Fäusten aus dem Slum von Motherwell heraus nach oben gekämpft. Diesen Erfolg muss man im Zusammenhang sehen: Jeder in Motherwell würde bis aufs Blut kämpfen, um dort herauszukommen. Ich hatte inzwischen herausgefunden, dass Bobby seine Kohle gut investiert hatte und dass er clever beraten wurde, was die Versorgung für die Zeit nach seinem Rückzug aus dem Ring betraf. Oder er selbst war im Investieren so geschickt wie mit dem Boxhandschuh. Für jemanden, der sich dem Höhepunkt seiner Boxkarriere näherte, war Bobby mit den Gedanken – und mit dem Geld – jedenfalls ganz schön bei anderen Dingen.
    Mein Büro war drei Treppen hoch an der Gordon Street gegenüber dem Hauptbahnhof, und bis Donnerstag hatte ich alles erledigt, was ich am Telefon erledigen konnte. Den Nachmittag wollte ich für einen Ausflug zum jungen Mr. Kirkcaldy nutzen. Ich beschloss, einen Kaffee zu trinken und die Zeitung zu lesen, ehe ich aufbrach. Ich halte mich gern auf dem Laufenden. Man konnte ja nie wissen, wann der Premierminister mich um Rat anging.
    Sämtliche Nachrichten waren düster. Großbritannien war nicht das einzige Land, das gegen den Verlust eines Imperiums kämpfte: Die Franzosen bekamen in Indochina von den Vietminh die Hucke voll. In Gorbals hatten die Schlitzerbanden Krieg. Und vor der Stadt war ein Mann vom Zug überrollt worden. Die Polizei gab keinen Namen heraus. Das Einzige, was mich aufheiterte, war eine Anzeige, in der mir mitgeteilt wurde, dass nur eine einzige Amplex-Chlorophylltablette am Morgen mir Atem- und Körperfrische für den ganzen Tag garantierte – der offensichtliche Versuch, in einen unausgeschöpften Markt vorzudringen.
    Ich war mitten im Rip-Kirby-Comic, als ich angenehm überrascht wurde. Eine sehr freudige, eins sechzig große, blonde Überraschung. Obwohl wir einander noch nie begegnet waren, erkannte ich sie in dem Augenblick, in dem sie mein Büro betrat. Sie kleidete sich mit einer Eleganz, wie man sie in Glasgow nicht einmal anstrebte: cremefarbene Seidenbluse, figurbetonter himmelblauer Bleistiftrock, lange Waden in reiner Seide. Um ihren Hals hing eine Kette aus Perlen, die so dick waren, dass der Taucher sie eine nach der anderen an die Oberfläche gebracht haben musste. Dazu passende Ohrringe. Sie trug einen kleinen weißen Pillboxhut, weiße Handschuhe und eine zum Rock passende Jacke über dem gleichen Unterarm wie die Handtasche, die in einem früheren Leben mal im Nil oder in den Everglades von Florida geschwommen hatte.
    Ich stand auf und bemühte mich um ein Lächeln, das kein anzügliches Grinsen war. Wahrscheinlich wirkte es einfach nur belämmert. Aber Sheila Gainsborough war es vermutlich gewöhnt, dass Männer sie belämmert anlächelten.
    »Hallo, Miss Gainsborough«, sagte ich. »Bitte nehmen Sie Platz. Was kann ich für Sie tun?«
    »Sie kennen mich?« Sie zeigte das Lächeln eines berühmten Menschen, dieses höfliche, mechanische Entblößen der Zähne, das nichts zu bedeuten hat.
    »Jeder kennt Sie, Miss Gainsborough. Auf jeden Fall jeder in Glasgow. Ich muss sagen, bei mir kommen nicht besonders viele Prominente ins Büro spaziert.«
    »Nicht?« Sie zog ein befremdetes Gesicht, indem sie ihre makellos gewölbten Augenbrauen senkte und auf ihrer ansonsten spiegelglatten Stirn ein Fältchen erzeugte. Auch das Fältchen war perfekt. »Ich hätte gedacht ...« Sie verwarf den Gedanken und das Stirnrunzeln mit einem Heben der Schultern und setzte sich. Ich nahm ebenfalls wieder Platz. »Ich war noch nie bei einem

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