Lennox 02 - Lennox Rückkehr
dem Weg zu meiner Wohnung fuhr ich bei Lorna vorbei. Ich hoffte, die kalte Kompresse hätte verhindert, dass die eine Seite meines Gesichts allzu sehr anschwoll und blau wurde, aber sie war noch immer empfindlich, und Lorna sah es sofort, als ich ankam.
»Was ist passiert?«, fragte sie, als sie mich hereinließ, doch ihre Sorge war von der Trauer abgestumpft, und sie gab sich zufrieden, als ich es mit einem Schulterzucken und einem gemurmelten »nichts weiter« abtat.
Wir setzten uns ins Wohnzimmer. Wir waren allein. Maggie MacFarlane war ausgegangen. Sie wollte Vorbereitungen treffen, hatte sie Lorna gesagt. Ich fragte mich, wie weit sie bei dem Idol der Nachmittagsvorstellungen, das ich am Tag zuvor gesehen hatte, schon war.
Lorna sah müde aus, und ihre Augen hatten rote Ränder vom Weinen. Ich sprach leise und besänftigend mit ihr und tat alles, was man als einfühlsamer Freier so tun sollte. Nach einiger Zeit, als der Augenblick es zu gestatten schien, fragte ich sie nach dem Besucher in dem Lanchester oder Daimler. Sie blickte mich einen Augenblick verständnislos an.
»Groß, dunkles Haar, Schnurrbart«, sagte ich.
Ein Ausdruck stumpfen Begreifens legte sich auf ihr Gesicht. »Ach ja ... Jack. Jack Collins. Er war Dads Partner. Und er ist ein Freund der Familie.«
»Partner? Ich hätte nicht gedacht, dass dein Vater einen Partner hatte.«
»Nicht im Buchmachergeschäft. Jack Collins hat mit Boxen zu tun. Er organisiert Kämpfe. Ich glaube, er ist eine Art Agent oder Veranstalter für Boxkämpfe. Er und mein Vater wollten gemeinsam ein paar Kämpfe organisieren. Sie hatten eine Firma gegründet. Jack und mein Dad standen sich nahe. Jack gehört wirklich schon fast zur Familie.«
»Mit dem Kampf zwischen Kirkcaldy und Schmidtke hatten sie aber nichts zu tun, oder?«
»Nein, nichts so Großes. Warum fragst du?«
»Reine Neugierde«, sagte ich. »Wieso war er gestern hier?«
»Er hilft uns bei ein paar geschäftlichen Angelegenheiten.«
»Verstehe. Er hilft deiner Stiefmutter?«
Lorna schaute mich verwirrt an. Dann dämmerte es ihr. »Oh ... nein, so ist es nicht. Glaub mir, ich würde das bei Maggie nicht ausschließen. Ich würde bei ihr gar nichts ausschließen. Trotzdem glaube ich nicht, dass Jack sich auch nur im Geringsten für sie interessiert. Offenbar hat er einen ganzen Harem glamouröser Freundinnen.« Sie versuchte sich an einem schalkhaften Lächeln, doch ihre Traurigkeit spülte es weg, als wäre es in den Sand gezeichnet gewesen. »Wie schon gesagt, Jack und Dad standen sich sehr nahe. Auf keinen Fall würde Jack ...«
»Was hat er gewollt? Gestern Abend, meine ich.«
»Er wollte nur schauen, ob er helfen kann. Und er hat irgendwelche Papiere von Dad gesucht.«
»Hat er sie gefunden?«
»Nein, ich glaube nicht.«
Ich trank einen mit Lorna, und als ich ging, klammerte sie sich wieder an mich. Ich kämpfte gegen die Gereiztheit an, die in mir aufwallte. Wieder verstieß Lorna gegen unsere Übereinkunft, nichts von dem anderen zu verlangen. Du bist echt ein Prachtstück, sagte ich mir.
Als ich wieder nach Hause kam, rief ich vom Apparat auf dem Flur Sheila Gainsborough unter der Nummer ihres Agenten an. Am anderen Ende meldete sich die gleiche helle, weibische Stimme. Ich bat darum, Miss Gainsborough zu sprechen. Ich hörte ein Seufzen, dann Stille, und schließlich kam Sheila ans Telefon. Ich berichtete ihr von meinen Fortschritten, was nicht lange dauerte. »Haben Sie etwas von Sammy gehört?«, fragte ich dann.
»Nein«, antwortete sie. »Nichts.« Die transatlantische Stimme klang müde und angespannt. »Ich hatte gehofft ...«
»Ich suche weiter nach ihm, Miss Gainsborough. Ich habe mit dem Franzosen gesprochen, mit Barnier. Er scheint Sammy doch nicht so gut zu kennen.«
»Nicht?« Sie klang überrascht. Aber nur ein bisschen. »Sammy hat ihn ein paar Mal erwähnt. Ich dachte, sie kennen einander.«
»Oh, er weiß, wer Sammy ist. Sie kennen sich nur nicht gut.«
Wir sprachen noch ein paar Minuten miteinander. Sheila konnte mir kaum noch etwas sagen und ich ihr noch weniger. Ich versprach, sie über meine Fortschritte auf dem Laufenden zu halten.
Nachdem ich aufgelegt hatte, spürte ich in meiner Brust etwas Totes, Bleiernes. Jedes Mal, wenn ich an Sammy Pollock dachte, verdunkelte sich das Bild ein wenig mehr.
6.
Als der Krieg zu Ende ging, hatte Großbritannien sich zu einer gerechteren Gesellschaft entschlossen. Vielleicht lag es daran, dass Willie Sneddon, Jonny
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