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Lennox 03 - Der dunkle Schlaf

Lennox 03 - Der dunkle Schlaf

Titel: Lennox 03 - Der dunkle Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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gesagt, dass ich mich nach Joe Strachan erkundige?«
    »Niemandem. Das heißt, ein paar Kollegen, bei denen ich nachfragen musste. Das habe ich Ihnen schon gesagt. Wieso?«
    »Ich hatte gerade einen Anruf, der mich nach Gorbals locken wollte, falls man Gorbals und locken irgendwie in einen Satz packen kann. Er sagte, er weiß, dass ich mich nach Strachan erkundige, und wollte mir etwas verkaufen.«
    »Ich nehme an, Sie gehen nicht hin?«
    »Wie man hier in Glasgow so gern sagt: Ich bin nicht mit dem Bananendampfer den Clyde raufgekommen. Ich habe ihm gesagt, er soll morgen um neun zu mir ins Büro kommen. Ich bezweifle, dass er auftaucht. Ich wollte nur wissen, ob es jemand ist, mit dem Sie gesprochen haben.«
    »Vielleicht haben Ihre Klientinnen geredet.«
    »Nein. Ich habe darüber nachgedacht, aber ich glaube es nicht. Trotzdem danke, Jock.«
    Ich legte auf und ging wieder ins Wohnzimmer.
    »Sie gehen also nicht noch einmal aus, Mr. Lennox?«, fragte Fiona White, als ich neben den Mädchen Platz nahm.
    »Wegen des Anrufs? Nein, tut mir leid. Das war zwar geschäftlich, aber ich weiß nicht, woher er die Nummer hat. Ich kümmere mich morgen darum.«
    »Ach so«, sagte sie und wandte sich wieder der Mattscheibe zu. Und ich hätte schwören können, dass ich dabei die Andeutung eines Lächelns entdeckte.
***
    Ich hatte recht damit gehabt, einen Hinterhalt zu vermuten.
    Nach dem Aufstehen wollte ich früh ins Büro fahren, aber als ich aus der Haustür trat, wurde ich bei der Kehle gepackt. Nur stürzte sich nicht irgendein Schläger auf mich, sondern das Glasgower Wetter. September wurde zu Oktober, und etwas Kaltes war über Nacht entweder von Sibirien oder, was schlimmer gewesen wäre, von Aberdeen her in die Stadt gezogen und kollidierte mit der warmen Luft. Dadurch entstand Nebel. Und Nebel brauchte in Glasgow nicht lange, ehe er sich in zähen, erstickenden, gelbgrün-grauen Smog verwandelte.
    Seit einem Jahrhundert war Glasgow das industrielle Herz des Britischen Empires. Fabriken würgten dicken schwarzen Rauch in den Himmel, und der schmierige Qualm von hunderttausend Wohnhauskaminen verband sich über der Stadt zu einer einzigen diffusen finsteren Masse. Kam Nebel hinzu, wurde der Tag zur Nacht, ein atemberaubender Anblick. Im wahrsten Sinne des Wortes.
    Ich überlegte nicht lange, ob ich ins Büro fahren sollte. Mein Mantra lautete, dass Fahren keine gute Idee war, sobald ich meinen Wagen von der Haustür aus nicht mehr sehen konnte. Das Gleiche galt für Omnibusse, womit die U-Bahn, die Oberleitungsbusse und die Straßenbahnen übrig blieben. Bei Smog waren immer die Straßenbahnen am verlässlichsten; so sehr, dass ihnen Autoschlangen oft folgten, weil man ansonsten nicht mehr sicher durch das Miasma lenken konnte; die Folge war allerdings, dass sich Autofahrer oft statt an ihrem Ziel im Bahndepot wiederfanden.
    Auf der Great Western Road hielt ich mich dicht am Bordstein, damit ich nicht unbeabsichtigt auf die Fahrbahn geriet, und fand schließlich die Straßenbahnhaltestelle mit dem undeutlichen Umriss einer ordentlichen Warteschlange. Wie immer in Glasgow schwatzte diese zufällige Ansammlung von Fremden miteinander, als wären sie alte Bekannte.
    Ich war knapp fünf Fuß vom Ende der Schlange entfernt – ungefähr so weit konnte man im Nebel sehen –, als mir etwas schmerzhaft ins Kreuz gedrückt wurde. Ich wollte herumfahren, doch eine Hand packte meinen Oberarm und drückte fest zu. Der Smog hatte also doch einen Komplizen.
    »Drehen Sie sich nicht um …« Ich erkannte die Stimme, die ich am Telefon gehört hatte: der gleiche merkwürdige Akzent, aber diesmal klang der Mann befehlsgewohnt und ruhig. »Wenn Sie mein Gesicht sehen, muss ich Sie töten. Haben Sie das verstanden?«
    »So kompliziert ist das nicht«, erwiderte ich. Im Smog, wo das Sehvermögen stark eingeschränkt ist, sollten die anderen Sinne schärfer werden. Ich wunderte mich, wieso ich nicht gehört hatte, wie er sich von hinten an mich rangemacht hatte.
    »Sie hätten Ihre Verabredung gestern Abend einhalten sollen, Lennox. Jetzt gehen wir in die Gasse hinter mir, und Sie werden schön leise sein, dann passiert Ihnen nichts Bedauerliches.« Nichts Bedauerliches. Vokabular und Sprechweise bildeten ein wildes Durcheinander. »Ich möchte nur mit Ihnen reden. Niemand muss sich aufregen, niemandem muss etwas passieren.«
    »Ich nehme an«, sagte ich, »Sie drücken mir einen Revolver in den Rücken und kein zusammengerolltes

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