Lenobias Versprechen: Eine House of Night Story (German Edition)
sie ihren flügellosen Pegasus nehmen, nach Westen ziehen, bis an einen Ort, wo niemand sie nach ihrer Hautfarbe beurteilte, sich dort niederlassen und herrliche, pfeilschnelle Pferde züchten. Und Kinder bekommen , flüsterte es in ihr, viele wunderhübsche braunhäutige Kinder, genau wie Martin .
Sie würde Schwester Marie Madeleine bitten, ihr zu helfen, eine Anstellung zu finden, vielleicht sogar in der Küche des Ursulinenkonvents. Ein Küchenmädchen, das leckeres Brot zu backen verstand, konnte jeder gut gebrauchen – und das Brotbacken hatte sie von der Schar vorzüglicher Köche des Herzogs von Grund auf gelernt.
»Wie viel lieblicher du bist, wenn du lächelst, Lenobia.«
Sie hatte ihn nicht kommen hören, doch plötzlich stand er da und versperrte ihr den Weg. Lenobia hob reflexartig die Hand und berührte ihr Mieder, dort wo sich darunter der Lederbeutel verbarg. Im Gedenken an Martin und den Schutz seiner Mutter reckte sie das Kinn und sah den Bischof kalt an.
» Excusez-moi , Euer Exzellenz. Ich muss zurück zu Schwester Marie Madeleine. Sie hält ihre Morgenandacht ab, und ich möchte gern daran teilnehmen.«
»Ich hoffe, du bist mir wegen gestern nicht böse. Du verstehst sicher, welch ein Schock es war, deine Täuschung zu durchschauen.« Während er sprach, streichelte der Bischof sein rubinbesetztes Kreuz. Lenobia beobachtete dies und fand es seltsam, wie die Steine selbst in dem schwachen Licht im Gang zu funkeln schienen.
»Ich würde es nicht wagen, böse auf Euch zu sein, Euer Exzellenz. Ich möchte nur zu der Ehrwürdigen Schwester zurückkehren.«
Er trat näher. »Ich habe dir ein Angebot zu machen. Sobald du es hörst, wirst du erkennen, dass du angesichts der Ehre, die dir zuteil wird, viel mehr wagen darfst, als böse auf mich zu sein.«
»Es tut mir leid, Euer Exzellenz. Ich weiß nicht, was Ihr meint.« Sie versuchte, sich an ihm vorbeizudrücken.
»Nicht, ma petite fille de bas ? Wenn ich in deine Augen sehe, erkenne ich da so viele Dinge.«
In Lenobia flammte Zorn auf, der ihre Angst überstrahlte. »Ich bin nicht Ihr Bastard. Mein Name ist Lenobia Whitehall«, schleuderte sie ihm entgegen.
Sein Lächeln war schrecklich anzusehen. Plötzlich waren seine ausgestreckten Arme rechts und links von ihr und hielten sie an der Wand fest. Die Ärmel seiner Robe waren wie Vorhänge, die sie von der Welt abschirmten. Er war so groß, dass sein Rubinkruzifix genau vor ihren Augen baumelte. Einen Moment lang schien ihr, als loderten Flammen in den glitzernden Tiefen.
Dann ergriff er wieder das Wort, und ihre Welt bestand nur noch aus dem Gestank seines Atems und der Hitze, die von ihm ausging.
»Wenn ich mit dir fertig bin, wirst du das sein, was immer ich wünsche – Bastard, Hure, Geliebte, Tochter. Alles. Doch gib nicht so leicht auf, meine fille de bas . Es geht nichts über ein kleines Kräftemessen.«
»Euer Exzellenz, da seid Ihr ja! Welch ein Glück, Euch so nahe an unseren Kabinen zu treffen. Könntet Ihr mir bitte helfen? Ich dachte, es wäre ein Leichtes, die Heilige Mutter zu tragen, doch ich habe wohl ihr Gewicht unter- oder meine Kraft überschätzt.«
Der Bischof trat zurück. Lenobia war frei. Sie rannte zu der Nonne, die ganz damit beschäftigt war, die große bemalte Marienstatue aus der Kabine in den Gang zu zerren. Als Lenobia sie erreichte, sah die Nonne kurz auf. »Lenobia, gut. Bitte hol die Altarkerze und das Weihrauchgefäß. Wir werden die Lauretanische Litanei und die Marientiden für den Rest der Reise an Deck abhalten.«
»Nun, Schwester«, erklärte der Bischof herablassend. »Uns bleiben noch mindestens zwei Wochen auf See.«
Marie Madeleine richtete sich auf und rieb sich den Rücken. Sie warf dem Bischof einen eisigen Blick zu, der ihre beiläufige und scheinbar zufällige Art, seinen Übergriff auf Lenobia zu unterbrechen, Lügen strafte. »Es sind nur noch ein paar Tage«, sagte sie streng. »Eben habe ich mit dem Commodore gesprochen. Der Sturm hat uns viel Zeit erspart. Wir werden schon in drei oder vier Tagen Nouvelle-Orléans erreichen. Es wird herrlich sein, wieder festes Land unter den Füßen zu haben, nicht wahr? Und es wird mir eine ganz besondere Freude sein, Euch unserer Mutter Oberin vorzustellen und ihr zu erzählen, welch eine sichere und angenehme Reise wir dank Eures Schutzes genießen konnten. Ihr wisst doch, welches Ansehen sie in der Stadt genießt, nicht wahr, Euer Exzellenz?«
Ein langes Schweigen entstand. Dann sagte
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