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Lenz, Siegfried

Lenz, Siegfried

Titel: Lenz, Siegfried Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Exerzierplatz
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vermutlich, weil er plötzlich keinen Grund fand, untertauchte, mit seinem Gewehr, das er um keinen Preis loslassen wollte, er versackte einfach mit Waffe und Stahlhelm.
    Die in seiner Nähe suchten gleich nach ihm, grabschten und fühlten, immer darauf bedacht, ihre Waffen über Wasser zu halten, sie torkelten bei ihrer Suche, und manch einer stippte sein Gewehr ein, aber gefunden haben sie den Bäcker nicht, weil die Strömung ihn gleich ein paar Meter mitgenommen hatte. Auf den Schrei kam der Feldwebel dicht ans Ufer, er merkte gleich, was geschehen war, und watete nicht, sondern sprang in die Holle, dorthin, wo das Wasser ihm bis zur Brust ging. Dann tauchte er, in voller Uniform tauchte er und schwamm holleabwärts und kam schon nach kurzer Zeit hoch, er hielt den Bäcker im festen Griff, zerrte ihn ans Ufer und weiter aufs Trockene, wo er sich neben ihn hinkniete und die Übungen machte, mit denen das Wasser aus den Lungen geholt wird, leichtes Pressen und Pumpen. Einige, die um ihn herumstanden, schickte er zurück ins Wasser und befahl ihnen, das Gewehr des Bäckers zu suchen, sie fanden es nicht, und so blieb es an ihm, danach zu forschen, und er tat es gleich, nachdem der Bäcker auf die Beine gekommen war, und er brauchte nicht lange, um die Waffe heraufzuholen.
    Das geräuschlose Durchqueren des Flusses, erzählte der Chef, das brauchten sie darauf nicht weiter zu üben, sie marschierten zu den Baracken, sie schwankten wohl eher dahin, und unterwegs achteten der Schüttler und Guntram Glaser auf den Bäcker, der zwischen ihnen ging und sich kaum aufrecht hielt. Sie durften auf ihre Stuben und das Zeug wechseln; danach setzten sie sich um einen Tisch und reinigten und wienerten ihre Waffen, auch der Bäcker, der noch nicht richtig da war und deshalb noch nicht wußte, was er unternehmen sollte. Der Schüttler half ihm beim Reinigen des Gewehrs, und er war es auch, der sich nicht abfinden wollte mit dem, was in der Holle passiert war, immer wieder fragte er sich und die andern, ob man nicht etwas unternehmen müßte gegen einen Vorgesetzten, der sich so an den Soldaten ausließ, er, der Schüttler, fragte sich auch zum ersten Mal, ob der Feldwebel nicht nach allem einen Denkzettel verdient hätte, doch keiner ging darauf ein, nicht einmal Guntram Glaser.
    Wenn sie erledigt waren, wenn sie ausgepumpt und erbittert waren, dann sagte der Feldwebel manchmal zu ihnen: Vorbereiten, ich will euch nur hart machen und vorbereiten auf eine Zeit, in der euch nichts erspart werden wird, und er sagte auch: Eines Tages vielleicht wird mir manch einer von euch dankbar sein. An dienstfreien Sonntagen ging er manchmal allein ins »Kiek in«, und da saß er allein und rauchte und trank einige Gläser Bier.
    Und er saß dort auch an jenem Nachmittag, als Guntram Glaser und der Schüttler hereinkamen und mit ihnen das Mädchen, das sie gerade vom Bahnhof abgeholt hatten, es war die Verlobte des Schüttlers, sie war zum ersten Mal zu Besuch, alle waren fröhlich. Sie grüßten ihren Feldwebel, sie grüßten ihn und strebten dann zu dem Tisch, der von ihm am weitesten entfernt war, doch bevor sie sich dort niedergelassen hatten, hörten sie einen knappen Befehl: nicht Guntram Glaser, der Schüttler sollte zum Tisch des Feldwebels kommen, er sollte den Gruß wiederholen, er sollte ihn so ausführen, wie er es gelernt hätte, und achselzuckend, nur, um es hinter sich zu bringen, grüßte der Schüttler also noch einmal, aber auch dieser Gruß fiel nicht zur Zufriedenheit des Feldwebels aus, und auch nicht der nächste und übernächste – vermutlich ließ Erbitterung den Schüttler sich so verkrampfen, daß er nicht hinbekam, was von ihm erwartet wurde. Schließlich aber gelang ihm ein Gruß, er durfte an seinen Tisch zurückkehren, er war bleich und zitterte und wollte eine Weile nichts trinken, und dort am Ecktisch sagte er später zu Guntram Glaser: Das vergeß ich ihm nicht, das nicht.
    Wochenlang hat der Schüttler seinen Plan mit sich herumgetragen, und als er glaubte, daß sich genug ergeben und angesammelt hatte, hat er den Bäcker und Guntram Glaser eingeweiht, er hätte es gern gesehen, wenn sie zu dritt gewesen wären, doch der Bäcker winkte ab, der wollte nicht dabeisein, obwohl er ja auch eine Rechnung zu begleichen gehabt hätte. So waren sie nur zu zweit. Und sind wie immer ausgerückt und haben unter seinen Augen den Angriff geübt in den Häuserattrappen. Und schlichen sich unter seinen Augen an den

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