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Lenz, Siegfried

Lenz, Siegfried

Titel: Lenz, Siegfried Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Exerzierplatz
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Ende gemacht, es zerstäubte einfach in einem Sprühregen von Splittern. In den wenigen Tagen, in denen ich es besaß, konnte ich fast alles wiederfinden, was ich verloren hatte, der ehemalige Soldat hatte mir nicht zuviel versprochen, Simon, der streunende Alte, der es von weither mitbrachte, und der es mir schenkte, als ich ihn zum ersten Mal abends beim Graben auf unserem Land überraschte. Wenn es sich herausstellen sollte, daß ich hier nicht mehr bleiben kann, werde ich vielleicht herumziehen müssen wie er. Ich weiß nicht, wieviel ein Vormund zu bestimmen hat, doch falls er den Chef einschließen darf, dann bin ich immer bereit, ihm die Türen zu öffnen, so leise, daß es keiner merkt, und wenn er es nur will, würde ich überall mit ihm hingehen. Das müßte der Chef eigentlich wissen, er, der mich besser kennt als jeder andere hier, und der mich noch immer gehört hat, wenn ich ihm dringend etwas mitteilen mußte; auch wenn wir noch so weit voneinander entfernt waren, hat er mich verstanden. Als mich einmal die Kräfte verließen im Großen Teich, habe ich mich einfach an ihn gewandt, habe nicht einmal laut gerufen, sondern nur gedacht, daß er kommen muß, und obwohl er vorher nicht zu sehen war, kam er aus dem Dänenwäldchen gerannt und hatte gleich einen Strick in der Hand und warf ihn mir zu.
    Es war nicht Inas Schuld, daß mich die Kräfte verließen, sie hat nur zu ihrer Freude Holzstücke ins Wasser geworfen, und ich hab sie zu meiner Freude apportiert, zu Ina, die mich überrascht hatte, als ich nackt war und mich abkühlen wollte. Sie saß in ihrem Badeanzug auf meinen Sachen, und jedesmal, wenn ich das Holzstück am Ufer ablegte, lobte sie mich.
    Mit dem grünen Flaschenboden konnte man nur das wiederfinden, was über der Erde verlorengegangen war; alles, was in ihr lag, was verschüttet, vergraben, versenkt war, zeigte sich nicht in dem vom Meer geschliffenen Glas, das hat Simon damals gesagt, der streunende ehemalige Soldat, und das war wohl auch der Grund, warum er es wegschenkte und beim nächsten Mal, als er auf unserem Land auftauchte, einen schweren Magneten an einer Schnur hinter sich herzog, ein rot und blau bemaltes Eisen, das hüpfte und sprang, während er verbissen seine Kreise zog. Er duldete mich in seiner Nähe. So oft er auch grub und so oft er auch seine schmutzigen Skizzen befragte, er fand nicht, wonach er suchte, sein kurzstieliger Feldspaten stieß nirgends auf eine Bataillonskasse, die auf unserem Land vergraben sein sollte, doch ich weiß nicht, ob es das war, was ihn zu uns zog; vielleicht suchte er etwas anderes. Er grub nicht planlos, er grub immer in der Nähe der Stelle, wo einst der Findling gelegen hatte. Fünfmal grub er, dann gab er es auf, und nachdem er eine Weile niedergeschlagen dagesessen hatte, winkte er mich zu sich heran und wollte mir nichts anderes sagen, als daß dies Land gut gedüngt sei, sehr gut gedüngt, er selbst habe dazu beigetragen in vergangener Zeit. Er wollte nicht mit mir gehen, um den Chef zu begrüßen, er mußte dringend weiter, dem Chef sollte ich nur sagen, daß Simon hier gewesen sei, das war schon alles. Seine schuppige Eidechsenhaut rötete sich, als er aufstand und die Luft einsog und dann einfach davonging, nachdem er sich meinen Namen auf dem Rand einer schmutzigen Skizze notiert hatte.
    Der Chef kannte keinen Simon, er schüttelte nur den Kopf, als ich ihm von dem Mann in dem langen Soldatenmantel erzählte; und ich weiß noch, er nahm sich nicht die Zeit, länger nachzudenken, als er in unserem Schuppen die Keimwilligkeit der Saat bestimmte, in der flachen, verschließbaren Bretterbude, die wir mit den Resten aus den Häuserattrappen hochgezogen hatten, in der Senke, durch die ein von uns erlaufener Weg führte. Hier ging kein Wind, hier kochte die Sonne. Nichts blieb dem Chef verborgen: wenn er die Samenschalen entfernte, wenn er die Saat wässerte oder in eine Lösung legte und rot werden ließ, wenn er die Samen von Koniferen und Buchen der Länge nach aufschnitt und den Embryo befreite, dann wußte er gleich, was während der Keimruhe geschehen war, und er konnte gleich sagen, ob das Gut sich eignete zur Versuchsaussaat. Er wässerte im Dunkeln, er rückte ins Licht, er ließ sich von Längs- und Querschnitten bestätigen, was er wissen mußte, und fast alles, was er abgezählt in Töpfen oder Schalen aussäte, lief auf und war gut für das Freiland.
    Auch viel von der Saat, die Dorothea in ledernen Beuteln von den

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