Leo Berlin
Klante. Schon davon gehört?«
Der Wirt nickte. »Det
jeht schnell aufm Kiez. Kehle durch, wa?«
Berns überging die
Frage. »Haben Sie sie persönlich gekannt?«
»War nur ab und an mal
hier. Keen Stammjast. Hat lieber inner Bumse in der Mulackstraße
verkehrt, ›Rote Hand‹, gloob ick.«
»Wissen Sie, wie es bei
ihr mit der Kundschaft stand?«
»Na, die Erna war ja
nich mehr taufrisch. Hat kaum noch Freier jefunden. Die hätt fast
draufzahlen müssen, damit se ihr nehmen.«
»Wissen Sie, ob Sie bei
irgendjemandem Schulden hatte? Ob sie getrunken hat? Mit jemandem über
Kreuz war?«, bohrte Stahnke und verdrehte die Augen, weil sie ihrem
Gegenüber alles einzeln aus der Nase ziehen mussten.
Der Wirt bückte sich und
hob einen schmierigen Lappen vom Boden auf, mit dem er den Tresen
abwischte, der danach schmutziger aussah als zuvor. »He, Fritze,
komm mal her«, rief er einem älteren Mann zu, der allein an
einem Tisch saß und Karten legte. Er stand auf und hinkte auf sie
zu. Berns fielen sofort die langen weißen Haare auf, die ihm aus der
Nase wuchsen.
»Det is der Fritze, der
hat se jekannt. Die sind wegen die Erna hier. Kripo.«
Fritze hob die Achseln.
»Det arme Ding. Ick hab ihr jeholfen, die Wohnung zu finden. Det Kabäuschen,
mein ick, mehr war det ja nich. Wusste nich, wo se unterkommen sollte.«
»Wann ist denn das
gewesen?«
»Vor drei Jahren unjefähr.
Kurz nach ’m Kriech. Hat mir halt leidjetan. Stand vorm Asyl und
wusst nich wohin. Ick kenn den Justav Seidel und hab ihn jefragt, ob se
bei ihm unterkommen kann. Da isse dann jeblieben.«
»Hat Sie Ihnen je erzählt,
wo sie vorher gewohnt hat?«
Fritze schüttelte den
Kopf und linste begehrlich zu den Schnapsflaschen hinter dem Tresen.
Stahnke legte eine Münze auf die Theke.
»Det weeß ick
ooch nich. Hat nur jesacht, sie hätten ihr jekündigt, konnt die
Miete nich berappen. Det arme Ding«, wiederholte er. »War ja
’n Klapperjestell, aber sonst nich übel.«
»Wissen Sie, ob sie
schon immer auf den Strich gegangen ist?«
Fritze tat, als überlegte
er. Dann hüstelte er gespielt vornehm und meinte hinter vorgehaltener
Hand: »Na ja, et gab immer mal wieder Jerede von wegen, sie wär
mal in ’nem feinen Haus jewesen, ’nem elejanten Bordell.
Richtich ordinär war se jedenfalls nich. Wenn ick mir begucke, wat
hier so rumläuft. Lauter Schlunzen, sach ick Ihnen.«
»Und wo könnte
dieses Bordell gewesen sein? Hier in Berlin? Und warum hat sie dort aufgehört?«
Fritze kippte den Schnaps,
den ihm der Wirt hingestellt hatte, und zuckte die Achseln. »Det weeß
ick ooch nich. Jehn se doch mal in die ›Rote Hand‹ von der
Wilma Denecke, det is ’ne Kneipe in der Mulackstraße. Da isse
ooch schon mal hinjejangen. Weiberkram bereden und so.«
Stahnke und Berns bedankten
sich und verließen den »Katakombenkeller«.
»Irgendwie hab ich das
Gefühl, ich müsste mich waschen«, meinte Berns und wischte
sich die Hände an der Hose ab.
»Scheißgegend«,
stimmte Stahnke ihm zu.
Das rote Backsteingebäude,
das mit seinen verspielten Türmchen ans Präsidium erinnerte,
verströmte innen Wärme und Eleganz. Nur das dezente Schild neben
der Tür ließ erahnen, dass hier Knöpfe hergestellt und
vertrieben wurden. Das Treppenhaus war in honigbraunem Holz gehalten, die
Stufen mit einem weinroten Teppich ausgelegt. Der Pförtner wies ihm
den Weg in den ersten Stock, wo Herr Lehmann, der Verkaufsdirektor,
residierte.
Der obere Flur war von
Vitrinen gesäumt, in denen die Kollektionen früherer Jahre
ausgestellt waren. Dazwischen hingen Porträts eleganter Damen und
Herren der Gesellschaft, die wohl zu den Kunden von Knöpfe Edel gehörten,
und Modezeichnungen in schlichten Rahmen. Es roch nach Bohnerwachs und
Leder, und Robert genierte sich ein wenig, als er das Quietschen seiner
Schuhe in der fast feierlichen Stille vernahm. Er blieb vor einer Tür
auf der rechten Seite stehen und klopfte. Eine Frauenstimme bat ihn
herein.
Die Vorzimmerdame saß
hinter einem mächtigen Schreibtisch und schaute ihn freundlich an.
»Guten Tag, ich bin Fräulein Merkert, die Sekretärin von
Herrn Lehmann. Was kann ich für Sie tun?« Trotz der strengen
Brille sah sie ziemlich jung und ansprechend aus. Robert zeigte seinen
Ausweis vor, doch sie schaute kaum hin und ließ sich keine Überraschung
angesichts dieses
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