Leo Berlin
werden Knöpfe
eigentlich hergestellt?«
Herr Lehmann blickte etwas
erstaunt, lächelte dann aber und sagte mit einer einladenden
Handbewegung zum Betrieb hin: »Sie können jederzeit
wiederkommen, dann organisiere ich eine Führung für Sie.«
Robert nickte und verabschiedete sich.
Etwas war merkwürdig
gewesen, nur ein flüchtiger Eindruck, der ihm schon entglitt. Er
verfolgte ihn auf dem Weg durchs Treppenhaus und ging ihm auch draußen
auf der Straße nicht aus dem Sinn. Als er den Weg zur nächsten
Straßenbahnhaltestelle einschlug, fiel sein Blick auf eine blinde
Bettlerin, die den Passanten eine Blechschüssel hinstreckte. Da
erinnerte er sich. Herr Edel hatte seltsame Augen gehabt.
9
Nachdem sie eine Bockwurst
mit Brot gegessen hatten, zogen Leo und Stankowiak weiter die Linienstraße
entlang. Außer bei Szylinski hatten sie bislang nichts erreicht. Sie
waren bei sämtlichen Nachbarn der Toten gewesen, doch angeblich hatte
niemand Erna Klante näher gekannt. Ganz so unwahrscheinlich war das
nicht, da sie im Hof gewohnt hatte und vermutlich selten ins Vorderhaus
gekommen war. Die Leute hatten gewusst, welchem Gewerbe sie nachging, was
in dieser Gegend kein Grund zu sittlicher Entrüstung war, aber die
Freier konnte niemand näher beschreiben. »Warn ja ooch nich so
ville«, hatte eine ältere Frau erklärt.
Leo wischte sich die Stirn ab
und zog entschlossen den Mantel aus. »Ganz schön warm. Geben
Sie mir Ihren auch, ich lege sie in den Wagen.«
Beim Zurückkommen
entdeckte er auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein
Pfandhaus. Stankowiak folgte ihm zu dem erstaunlich geräumigen und
gepflegten Laden, in dessen Fenstern eine große Auswahl an Schmuck,
silbernen Zigarettenetuis und anderen wertvollen Dingen angeboten wurde.
Über der Tür hing ein Schild mit drei goldenen Kugeln, dem
traditionellen Symbol der Pfandleiher. Das Geschäft schien in dieser
Gegend zu blühen, und Leo fragte sich, ob irgendetwas in diesem Laden
ehrlich erworben oder geerbt worden war. Ein Pfandleiher konnte im
Scheunenviertel als Hehler durchaus auf seine Kosten kommen.
Sie betraten den Laden, eine
melodische Glocke kündigte die Besucher an. An den Wänden
standen Vitrinen mit weiteren Wertstücken. Ein Mann mit streng nach
hinten gekämmten schwarzen Haaren, die glatt wie Lack wirkten, spähte
über seine goldgerahmte Brille, die Hände auf die Theke gestützt.
»Guten Tag, die Herren,
womit kann ich dienen? Ein Schmuckstück für die werte gnädige
Frau? Oder soll es für Sie selbst sein? Zigarettenetui? Lederne
Aktentasche? Schildpattkamm?«
Seine Stimme klang hoch,
beinahe schrill, und er rieb sich auf unangenehm raschelnde Weise die Hände,
als Leo und Stankowiak näher traten. Vertraulich beugte er sich vor.
»Oder etwas Nettes für die kleine Freundin?«
Leo räusperte sich.
»Kriminalpolizei, ich bin Kommissar Wechsler, Morddezernat, das ist
Kriminalsekretär Stankowiak vom Sittendezernat.«
Der Mann fiel sichtlich in
sich zusammen. »Aber, aber, die Herren, und das an einem so schönen
Tag, was habe ich denn verbrochen? Ich bin einer der wenigen ehrlichen
Geschäftsleute in dieser Gegend, das müssen Sie doch wissen.
Albert Krapohl mein Name.«
Leo grinste. »Bis jetzt
weiß ich gar nichts über Sie, aber wenn Sie weiter so reden, fällt
mir vielleicht ein, was gegen Sie vorliegen könnte. Wir sind im
Mordfall Erna Klante hier. Haben Sie davon gehört?«
»Nein. Wer soll das
gewesen sein?«
»Eine Prostituierte.
Sie wurde am vergangenen Samstag in einem Hinterhofverschlag hier in der
Linienstraße ermordet.«
»Ich bin erst heute zurückgekommen.
Ein Trauerfall in der Familie, ich war einige Tage in Magdeburg. Der Name
ist mir im Übrigen wirklich nicht bekannt.«
Leo holte die Photographie
aus der Brieftasche und legte sie auf den Verkaufstresen. Der Pfandleiher
schob die Brille auf die Nase und betrachtete das Bild der toten
Prostituierten. Dann kratzte er sich am Kinn. »Augenblick, da fällt
mir etwas ein. Die Frau habe ich tatsächlich schon mal gesehen. Sie
hat etwas beliehen, aber das ist schon länger her.«
Er zog ein schweres, in grünes
Leder gebundenes Journal unter der Theke hervor und schlug es auf. Dann
fuhr er mit einem manikürten Finger an den langen Reihen der Namen
entlang, bis er bei einem Datum im vergangenen November innehielt. »Hier,
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