Leo Berlin
Gertrud Marhenke. Das muss sie sein. Ich weiß nicht, warum sie einen
falschen Namen angegeben hat.«
»Vielleicht war es ihr
unangenehm«, warf Leo ein. »Was hat sie denn beliehen?«
Statt zu antworten, trat der
Mann an eine Vitrine und nahm eine mit Granat besetzte Brosche in Form
eines Marienkäfers heraus, die auf einem Samtkissen lag. »Brosche,
555er Gold, besetzt mit Granat und Onyx, keine Namenspunze.« Er
blickte auf. »Der Wert besteht vor allem in der Goldschmiedearbeit,
die Einlegearbeiten sind sehr aufwendig. Sie hat übrigens hundertfünfzig
Mark dafür erhalten und das Pfand nicht ausgelöst. Seither biete
ich es zum Verkauf an.«
Leo nahm den Käfer in
die Hand und drehte ihn um. »Hier ist eine Gravur.« Er trat
mit der Brosche ans Fenster. »Für mein Käferchen, Mai
1910, Kurt.«
Stankowiak war neben ihn
getreten. »Das ist lange her.«
»Ja, aber wir müssen
jedem Hinweis nachgehen. Die Brosche ist beschlagnahmt. Geben Sie mir
bitte ein Blatt Papier, Herr Krapohl.«
Der Pfandleiher reichte Leo
achselzuckend einen Bogen Briefpapier, auf dem dieser eine formlose
Quittung ausstellte und dem Mann aushändigte.
»Wissen Sie, von wem
das Schmuckstück stammen könnte?«
Der Mann schüttelte den
Kopf. »Leider nicht. Es gibt viele Goldschmiede in Berlin, außerdem
kann die Brosche ebenso gut aus einer anderen Gegend stammen. Zwölf
Jahre sind eine lange Zeit, da kann sich die Frau ganz schön in der
Weltgeschichte herumgetrieben haben.«
»Trotzdem vielen Dank.«
Leo schob die Brosche, die der Pfandleiher in ein samtbezogenes Kästchen
gelegt hatte, in seine Jackentasche, lüftete kurz den Hut und verließ
mit seinem Kollegen das Pfandhaus.
»Ihr muss viel an der
Brosche gelegen haben, wenn sie so lange mit dem Versetzen gewartet hat«,
meinte Stankowiak.
»Ja, das Geld hätte
sie wohl schon früher gebrauchen können.«
Die Straße war
mittlerweile sehr belebt. Je näher der Abend rückte, desto mehr
Menschen drängten aus den schmalen Häusern auf die Gehwege.
Fliegende Händler, schäbige Prostituierte und ärmlich
gekleidete Arbeiter schienen den warmen Abend nicht in den feuchten Mauern
der engen Gebäude verbringen zu wollen. Zwischen ihnen bewegten sich
orthodoxe Juden in schwarzen Hüten und langen Kaftanen. Ein junges Mädchen
mit maskenhaft geschminktem Gesicht zupfte Leo am Ärmel. Er machte
sich unwillig los. Kurz vor sechs, es war Zeit für den Feierabend.
Stahnke und Berns warteten
bereits am Wagen. Berns biss gerade in eine Bulette und deutete kauend auf
seinen Kollegen, der sofort den Notizblock zückte. »Wir haben
etwas.«
»Wir auch. Dann war der
Tag ja nicht umsonst«, meinte Leo und schloss die Wagentür auf.
»Wir besprechen das noch kurz im Büro.«
»Ich dachte, du bist
schon weg«, sagte Robert, der zur Tür hereinkam, als Leo gerade
gehen wollte.
»Bin ich auch fast. Wie
war es bei dir?«
»Soll ich es dir bei
einer Molle erzählen?«, fragte Walther, dem augenscheinlich
auch nach Feierabend war. Er hatte sich nach dem Gespräch in der
Knopffabrik noch in verschiedenen Kurzwarengeschäften und Warenhäusern
umgehört.
Sie suchten eine Kneipe in
der Nähe des Präsidiums auf und setzten sich mit ihren Biergläsern
in eine abgelegene Ecke.
»Ich habe mit dem
Verkaufsdirektor Herrn Lehmann gesprochen. Sehr verbindlich, ein
passionierter Leser von Kriminalromanen. Er wird uns eine Liste aller
Kunden zusammenstellen, die diese Knöpfe gekauft haben. Die Großhändler
haben sie allerdings an kleine Geschäfte weiterverkauft, diese Ware
werden wir wohl nicht mehr verfolgen können.«
»Trotzdem gute Arbeit.«
»Ich habe auch kurz den
Besitzer der Firma kennen gelernt, Herrn Max Edel. Er scheint der
gestalterische Kopf des Unternehmens zu sein. Nachdem er im Büro
gewesen war, wurde Herr Lehmann richtig gesprächig.«
»Hat er geklatscht?«,
fragte Leo interessiert.
»Nichts von Bedeutung.
Nur dass Herr Edel früher sehr zurückgezogen gelebt habe. Er hat
die Firma vor fünf Jahren übernommen, nachdem sein Vater
gestorben war.«
Leo stützte den Kopf in
die Hand und zeichnete mit dem Bierglas Kreise auf den rohen Tisch.
»Verdammt, man könnte glauben, die Frau hätte völlig
isoliert gelebt. Ein paar flüchtige Bekannte, kaum Freier, nichts
Greifbares. Aber irgendjemand muss einen Anlass gehabt haben, sie zu töten.
Ein
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