Leo Berlin
Besuchs anmerken. »Selbstverständlich glaube
ich Ihnen, dass Sie von der Polizei sind. Kommen Sie bitte.« Sie
deutete auf eine zweiflügelige Tür, klopfte an und öffnete.
»Herr Kriminalsekretär
Walther.«
»Danke, Fräulein
Merkert.«
Sie nahm ihm Hut und Mantel
ab und zog sich ins Vorzimmer zurück.
Der Mann mit der
spiegelglatten Glatze und dem ausladenden Schnurrbart war hinter seinem
Schreibtisch hervorgetreten und gab Robert die Hand. »Karl Lehmann.
Was kann ich für Sie tun? Wir haben nicht oft die Polizei im Haus.
Nehmen Sie doch Platz.«
Robert, der es gewöhnt
war, als Kriminalbeamter oft herablassend behandelt zu werden, war
angenehm überrascht.
»Zunächst einmal
vielen Dank, dass Sie Zeit für mich gefunden haben.«
»Ich finde
Kriminalarbeit spannend«, meinte der Verkaufsdirektor lächelnd
und strich sich über den Schnurrbart. »Auch wenn sie angeblich
ganz anders ist als in den Romanen.«
»Ein bisschen anders
ist sie schon«, sagte Robert, der nie auf die Idee gekommen wäre,
Kriminalromane zu lesen. Er neigte eher zu Kreuzworträtseln und dem
Sportteil der Zeitung. Dann holte er eine kleine Papiertüte aus der
Jackentasche, schüttelte den Knopf heraus und reichte ihn Herrn
Lehmann. »Kennen Sie diesen Knopf?«
Der Verkaufsdirektor warf
einen prüfenden Blick darauf: »Ja, der ist von uns. Aus der
Winterkollektion, mal überlegen, 1919 / 1920. Hat sich gut verkauft.«
Robert seufzte innerlich.
Genau das hatte er befürchtet.
»Ich nehme an, er ist für
anspruchsvolle Kunden gedacht.«
»Ja, er gehörte zu
unseren teuersten Modellen«, entgegnete Herr Lehmann. »Die
Herstellung des Flechtwerks ist sehr aufwendig.«
»Könnten Sie uns
eine Liste der Kunden zusammenstellen, die diesen Knopf gekauft haben?«
»Gern, aber es kann
einige Tage dauern. Allerdings haben wir auch Kunden im Ausland, die die
Ware ebenfalls weiterverkaufen, was ich natürlich nicht mehr
nachvollziehen kann.«
»Es wäre dennoch
eine Hilfe, Herr Lehmann.«
Der Verkaufsdirektor beugte
sich ein wenig vor. »Darf ich fragen, worum es geht?«
»Wir ermitteln in einem
Mordfall. Der Knopf wurde am Tatort gefunden.« Robert sprach ungern
über laufende Fälle, wollte aber nicht unhöflich
erscheinen. »Er ist eine heiße Spur.«
Ein wissendes Lächeln
huschte über Herrn Lehmanns Gesicht. Den Satz kannte er wohl aus
seiner umfangreichen Kriminallektüre.
In diesem Augenblick trat ein
hochgewachsener Mann mit streng gescheiteltem silberblondem Haar ein, den
Robert auf Anfang bis Mitte dreißig schätzte. Er hatte nicht
angeklopft. Musste er auch nicht, dachte Robert angesichts von Herrn
Lehmanns Reaktion, denn dieser war sofort respektvoll aufgestanden.
»Herr Direktor . . .«, setzte er an, »das ist Herr
Walther von der Kriminalpolizei.«
Der Mann schaute Robert kurz
an und wandte sich dann an seinen Angestellten.
»Wenn Sie hier fertig
sind, kommen Sie bitte in mein Büro. Der Londoner Vertreter ist da.
Wir wollen die neue Herbstware besprechen.«
Herr Lehmann nickte
beflissen, schon war sein Vorgesetzter verschwunden. »Das war Herr
Edel, der Eigentümer der Firma.«
»Ist es nicht ungewöhnlich,
dass er persönlich hereinkommt und Sie zu sich bittet?«
»Ach nein, er ist nicht
von oben herab«, meinte Herr Lehmann. »Er hat früher sehr
zurückgezogen gelebt, geht erst in den letzten Jahren mehr in
Gesellschaft. Er hat wohl unter seinem alten Herrn gelitten, das war
vielleicht ein harter Hund.«
Robert staunte über die
plötzliche Redseligkeit des Verkaufsdirektors und unterbrach ihn
nicht, da er bei scheinbar belanglosen Plaudereien oft interessante Dinge
erfuhr.
»Als der Alte im Jahre
siebzehn starb, waren viele in der Firma froh. Wir wussten zwar nicht, was
uns bei dem Sohn erwartete, weil er sich früher selten im Betrieb
gezeigt hat, aber es hätte schlimmer kommen können. Kein großer
Kaufmann, aber dafür hat er ja seine Leute. Wie mich«, fügte
er mit einem bescheidenen Lächeln hinzu. »Sein Geschmack in
Sachen Knöpfe ist allerdings unfehlbar.« Dann sah er auf die
Uhr. »Aber ich möchte Sie nicht aufhalten, Herr Walther. Ich
werde Ihnen die Liste zusammenstellen. Soll ich mich melden, wenn sie
fertig ist?«
»Ja, bitte. Und vielen
Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben«, sagte Robert höflich
und stand auf. Dann fiel ihm noch etwas ein. »Wie
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