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Leo Berlin

Leo Berlin

Titel: Leo Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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Raubmord scheidet aus. Was also ist der Grund?«
    »Wir sind noch nicht
     durch mit den Befragungen. Oder habt ihr heute alles geschafft?«
    Leo schüttelte den Kopf.
     »Nur die Linienstraße. Mulackstraße, Grenadierstraße,
     die ganze Ecke fehlt noch. Ach ja, Stahnke und Berns haben eine Freundin
     der Toten namens Wilma Denecke aufgetrieben. Aber auch sie wusste wenig
     über Erna Klantes Vergangenheit. Sie hat allerdings Dr. Lehnbachs
     Syphilisgeschichte bestätigt. Die Klante hat sich vor Jahren mit
     Salvarsan behandeln lassen, aber die Stelle im Bordell hat sie dennoch
     verloren. Wir müssen unbedingt herausfinden, wo sie früher
     angeschafft hat.«
    »Du meinst, es hat
     etwas mit ihrer Vergangenheit zu tun?«
    »Ich glaube schon. Wenn
     es bekannte Feindschaften im Milieu gegeben hätte, wären Stahnke
     und Berns bestimmt schon darauf gestoßen. So etwas spricht sich
     herum. Auch ihre Freundin hätte sicher davon gewusst. Aber niemand
     konnte einen Hinweis auf den möglichen Täter geben. Die Aussagen
     von Zylberstein und Szylinski sind viel zu vage.«
    »Lass uns Schluss
     machen, Leo. Die Kinder warten auf dich.«
    Er zwang sich zur Ruhe.
     Doch es war ein Schock gewesen, als er nichtsahnend in Lehmanns Büro
     gegangen war und dort einen Kriminalbeamten vorgefunden hatte. Der Name
     war ihm unbekannt, in den Artikeln über Sartorius hatte er ihn nie
     gelesen. Was mochte er gewollt haben? Es wäre ihm unangenehm gewesen,
     Lehmann zu fragen. Vielleicht hatte der Mann ja Schwierigkeiten. Aber er
     hatte völlig gelassen gewirkt.
    Er zog die Handschuhe aus.
     Betrachtete seine Handflächen. Die weißen Flecken wirkten
     eigentlich nicht entstellend, eher wie die Folgen eines Unfalls oder einer
     Verätzung. Doch ohne Handschuhe hätte er jeden Blick als
     bohrende Neugier empfunden, jedes leise gesprochene Wort als Anspielung.
    Er dachte ungern daran,
     wie seine Hände damals ausgesehen hatten. An die roten, offenen
     Stellen, die Wundmale, die sich immer tiefer ins Fleisch zu fressen
     schienen. Die Schmerzen, sobald er etwas anfasste, sich die Hände
     wusch, einen Mantelknopf schloss. Die Scheu, jemandem die Hand zu geben.
     Er war wochenlang verreist, um Fragen auszuweichen, denn er konnte keine
     Handschuhe über die offenen Wunden ziehen. Er war sich wie ein
     Gezeichneter vorgekommen.
    Als die Geschwüre
     vernarbten, gewöhnte er sich an, nur noch mit Handschuhen in die
     Öffentlichkeit zu gehen. Zuerst hatte es neugierige Fragen gegeben,
     doch er spielte einfach die Rolle des Elegant, der sich in der Wahl seiner
     Kleidungsstücke ein wenig exzentrisch gibt. Bald hatte niemand mehr
     darauf geachtet, es wurde höchstens einmal angemerkt, wie ausgesucht
     schön die meisten Exemplare seien.
    In ihrem Schutz hatte er
     sich Viola nähern, sich über ihre Hand beugen, sie zum Tanz
     auffordern können. Er wusste, dass er als eiserner Junggeselle, wenn
     nicht gar als verschroben galt. Manchmal glaubte er, die Angestellten
     tuscheln zu hören, wenn er mit Umsicht und Geschmack die neuen
     Damenknöpfe aussuchte. Natürlich war es Einbildung, aber er
     meinte hinter seinem Rücken Stimmen zu hören, die sich über
     seine offensichtliche Enthaltsamkeit lustig machten. Vielleicht neigten
     sie auch zu dem Glauben, er interessiere sich mehr für Männer,
     da er sich nie in Gesellschaft junger Damen zeigte und so viel Wert auf
     seine äußere Erscheinung legte.
    Aber er würde sie
     alle Lügen strafen. Das Entsetzen, die Scham, die Einsamkeit einfach
     hinter sich lassen. Jetzt erst wusste er, wie mächtig er war. Bald würde
     er die Handschuhe ablegen. Und mit seinen bloßen Händen über
     Violas Körper streichen, ihre weichen Brüste berühren,
     ihren Bauch, ihre –
    Leo kaufte sich am
     Alexanderplatz eine Zeitung und stieg in den Bus Nr. 19, in dem um diese
     Uhrzeit sogar Sitzplätze zu haben waren. Er setzte sich ans Fenster.
     Auf der Titelseite wurde über die Debatten zum Republikschutzgesetz
     berichtet, das nach dem Mord an Walter Rathenau geplant worden war und
     gegen extreme politische Gruppierungen angewendet werden sollte. Ihm fiel
     ein, was sein Freund Joachim Kern gesagt hatte, als sie über die
     politischen Maßnahmen nach der Ermordung des Außenministers
     sprachen. »Pass auf, die da oben erlassen Gesetze gegen Extreme und
     wenden die dann nur gegen uns Linke an.« Das blieb abzuwarten, doch
     Joachim lag wohl nicht so falsch mit seinen Befürchtungen. Leo

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