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Leo Berlin

Leo Berlin

Titel: Leo Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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beide waren allein, wie auf einer
     Insel, während das Gelächter ans Ufer brandete. Und als er
     endlich wagte, sie anzuschauen, war auch sie mit roten Wunden übersät
     und sah ihn anklagend an. »Du hast mir nichts davon gesagt.«
    Aber, wollte er sich
     selbst beruhigen, das alles war Unsinn, nach so langer Zeit war es nicht
     mehr ansteckend, unmöglich. Und es war noch nichts geschehen, er
     hatte sie niemals so – berührt.
    Und doch war er erschüttert.
     Nie zuvor hatte er etwas Ähnliches geträumt. Nicht vor Viola und
     auch nicht, nachdem er ihr begegnet war. Nie war die Krankheit in seine Träume
     vorgedrungen, selbst wenn sie ihn im Wachzustand unablässig beschäftigt
     hatte. Dort war er immer sicher vor ihr gewesen. Bis heute. Er presste die
     Hände an die Schläfen, um den plötzlichen Kopfschmerz zu
     vertreiben.
    Einen Augenblick war Leo wie
     erstarrt, dann hob er Marie auf den Schoß und drückte sie an
     sich. Hohes Fieber schien sie nicht zu haben, aber er konnte nicht bis zum
     Morgen warten. Rasch trug er das Mädchen ins Wohnzimmer, zog sich an
     und klopfte an Ilses Zimmertür. Sie meldete sich mit verschlafener
     Stimme. »Ja, was ist?«
    Er öffnete die Zimmertür
     und steckte den Kopf hinein. »Ich muss mit Marie ins Krankenhaus,
     sie bekommt kaum noch Luft.«
    Ilse sprang aus dem Bett und
     warf einen Morgenrock über. Im Licht der Dielenlampe, mit
     unfrisiertem Haar und verquollenen Augen, sah sie um Jahre älter aus.
     »Willst du nicht bis morgen früh warten?«
    »Nein«,
     entgegnete Leo barsch. »Wir haben lange genug gewartet.« Es
     war deutlich herauszuhören, dass er eigentlich »du«
     meinte.
    Ilse schluckte. »Natürlich.«
    »Vielleicht wolltest du
     ja mit deinem Freund spazieren gehen. Seid ihr deshalb in den Park
     gegangen, obwohl Marie krank war?«
    »Du bist ungerecht, Leo«,
     sagte sie mit blassem Gesicht, aber in festem Ton.
    Er tat ihre Worte mit einer
     Handbewegung ab. »Ich rufe dich an, sobald ich etwas weiß. Hol
     etwas anzuziehen für Marie.«
    Ilse eilte ins Kinderzimmer
     und kam mit einem Kleid und einer Strickjacke zurück, die sie dem verängstigten
     Kind rasch und geschickt überzog. Dann drückte sie Marie an
     sich, legte sie in die ausgestreckten Arme ihres Bruders und wickelte sie
     fest in eine Decke. »Sag mir ganz schnell Bescheid«, flüsterte
     sie und wandte sich abrupt ab.
    Es war drei Uhr morgens, als
     Leo mit dem eingewickelten Kind auf die menschenleere Straße trat.
     Marie war eingenickt, doch der beängstigende Husten riss sie immer
     wieder aus dem Halbschlaf. Leo bog in die Turmstraße ein und merkte
     allmählich, dass Marie gar nicht so leicht war. Jeder Schritt wurde mühsam,
     das Kind in seinen Armen schien schwer wie Blei, seine Schultern
     schmerzten vor Anspannung. Um diese Zeit war niemand zu sehen außer
     einem Bäcker, der gerade die Backstube aufschloss, und einem späten
     Heimkehrer, der zu betrunken schien, um die eigene Haustür zu finden.
     Leo war froh, als zu seiner Linken endlich die weitläufige Anlage mit
     den roten Backsteingebäuden auftauchte. Gleichzeitig spürte er
     einen Druck im Magen. Das letzte Mal war er hier gewesen, um Dorotheas
     Sachen abzuholen. Ein kleines Häufchen persönlicher Gegenstände,
     seltsam verloren auf dem kalten weißen Bett.
    Er verdrängte die
     Erinnerung und trat in das Gebäude, in dem sich die Anmeldung befand.
     »Notfall?«, fragte die Schwester hinter dem Tresen knapp.
    »Ja. Meine Tochter
     bekommt keine Luft und hustet schlimm.«
    Die Frau notierte seine
     Personalien und bat ihn, Platz zu nehmen. Die Zeit schien zäh
     dahinzukriechen, der Uhrzeiger auf der Stelle zu verharren, während
     er mit Marie auf dem harten Holzstuhl wartete.
    Endlich erschien ein übernächtigt
     wirkender Arzt, der ihn knapp, aber freundlich begrüßte.
     »Seit wann geht das so?«
    »Die Atemnot kam erst
     heute Nacht. Halsschmerzen hat sie seit ein paar Tagen.«
    Der Arzt führte ihn in
     ein Untersuchungszimmer. Auf der Liege sah Marie klein und ängstlich
     aus. Leo hielt ihre kalte Hand, während der Arzt in ihren Hals
     leuchtete, Brust und Rücken abhörte und schließlich in
     ernstem Ton sagte:
    »Dringender Verdacht
     auf Diphtherie. Der Kehlkopf ist auch befallen, daher der Husten. Wir müssen
     sie hier behalten.«
    Um ein Haar hätte Leo
     nein gesagt. Nein, hier stirbt man. Doch er beherrschte sich. »Wie
     schlimm ist es?«
    »Sie muss unbedingt
     unter Aufsicht

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