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Leo Berlin

Leo Berlin

Titel: Leo Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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dritten Mal durchgelesen, ohne neue
     Erkenntnisse zu gewinnen. Er klappte sie entschlossen zu und bot
     Stankowiak einen Stuhl an.
    »Gibt es etwas Neues?«
    »Hier ist die Liste mit
     den Ärzten, die unseres Wissens Prostituierte behandeln. Es sind
     nicht gerade wenige. Bei den ganzen Geschlechtskrankheiten heutzutage dürfte
     es ein einträgliches Geschäft sein.« Er schob Leo eine
     maschinengeschriebene Liste mit den Namen von etwa vierzig Ärzten
     hin. »Soll ich mich darum kümmern?«
    »In Ordnung. Sie wissen
     ja, worum es geht. Wann ist sie erkrankt, wie lange war sie krank, wie
     wurde sie behandelt und so weiter.«
    Stankowiak stand auf. »Gehen
     wir heute Abend noch mal ins Scheunenviertel?«
    »Ja, um sechs.«
    Stankowiak lächelte.
     »Da bin ich gern dabei.«
    Mit diesen Worten verschwand
     er im Vorzimmer.
    Der Mann war ihm im Flur
     aufgefallen. Groß, dunkelhaarig, markante Narbe an der Schläfe.
     Er bewegte sich selbstsicher, wirkte aber nicht wie ein Geschäftspartner
     oder Kunde, hatte weder Aktentasche noch Musterkoffer dabei. Da er gern
     wusste, was in seiner Firma vorging, war er später in Lehmanns
     Vorzimmer gegangen und hatte sich bei Fräulein Merkert beiläufig
     nach dem Besuch erkundigt.
    Schon wieder die
     Kriminalpolizei. Doch diesmal kannte er den Namen. Aus der Zeitung.
    Als Leo mittags ins
     Krankenhaus kam, erkundigte er sich nach der Station, auf der Marie
     untergebracht war. Eine freundliche Schwester zeigte ihm den Weg.
     Beklommen folgte er ihr durch die langen Flure, bis sie vor einer Tür
     mit der Aufschrift ISOLIERSTATION ankamen. »Weiter dürfen Sie
     leider nicht. Hier geht es nach draußen auf den Balkon, Ihre Tochter
     liegt im dritten Zimmer auf der rechten Seite.«
    Trotz der sommerlichen Wärme
     fröstelte ihn, als er vor der Glasscheibe stehen blieb und in das spärlich
     eingerichtete Zimmer spähte. Marie lag im Bett, den Kopf auf einem
     dicken Kissen, das ihr das Atmen erleichtern sollte. So hatte es ihm die
     Schwester jedenfalls erklärt. Im Arm hielt sie die Puppe Gretel, die
     er noch vor dem Dienst vorbeigebracht hatte. Marie wirkte klein und schmächtig.
    Er klopfte vorsichtig ans
     Fenster. Sie drehte den Kopf und lächelte, als sie ihn sah. Ein
     winzig kleines Lächeln, gar nicht wie sonst. Sie zeigte auf ihren
     Hals. Natürlich, er tat weh.
    Ihm war, als zerfiele die
     Welt vor seinen Augen. Gestern noch war alles sicher und vertraut gewesen,
     trotz der Spannungen mit Ilse. Nach Dorotheas Tod hatte er sich in seinem
     neuen Leben eingerichtet. Doch als er Marie jetzt hinter der Scheibe sah,
     so unendlich fern, schien auf einmal nichts mehr sicher.
    Leo wusste nicht, wie lange
     er dort gestanden hatte. Er winkte Marie noch einmal, und sie hob schwach
     die Hand. Beim Gehen würgte es ihn im Hals.
    Auf dem Flur passte er den
     Arzt ab, der Marie letzte Nacht aufgenommen hatte.
    »Wie steht es um sie?«,
     fragte er drängend.
    Der Arzt führte ihn in
     eine Nische. »Ich bin leider sehr in Eile. So schnell ist natürlich
     keine Besserung zu erwarten, Herr Wechsler. Und es kann eine Weile dauern,
     bis das Antitoxin anschlägt. Das ist leider alles für den
     Moment.«
    Er wollte gehen, doch Leo
     hielt ihn am Arm fest. Er wusste, dass er nicht vernünftig handelte,
     aber das war ihm egal. »Und was geschieht, wenn das Mittel nicht
     wirkt?«
    »Ich bitte Sie, wir
     wollen das Beste hoffen. Sie sollten sich nicht mit diesen Fragen quälen.«
    »Ich bin Polizist und
     daran gewöhnt, Fragen zu stellen. Und Antworten zu bekommen.«
    »Es gibt nicht mehr zu
     sagen. Sie können sich jederzeit nach dem Zustand Ihrer Tochter
     erkundigen, aber jetzt müssen Sie mich entschuldigen.«
    Mit diesen Worten verschwand
     er in einem Krankenzimmer.
    Leo verfluchte seine
     Unbeherrschtheit und machte sich auf in Richtung Ausgang.
    Er hatte Ilse seit seiner Rückkehr
     aus dem Krankenhaus in der Nacht nicht gesehen. Sie hatte ihm zum ersten
     Mal überhaupt kein Frühstück gemacht und war in ihrem
     Zimmer geblieben. Beim Weggehen hatte er ihr durch die geschlossene Tür
     mitgeteilt, er werde Marie die Puppe und frische Wäsche bringen. Sie
     hatte knapp erwidert, sie wolle das Kind am Vormittag besuchen. Leo kam
     sich ungewohnt allein vor. Er freute sich geradezu auf den Abend. Die
     Arbeit würde ihn wenigstens vom Grübeln abhalten.
    Beim Verlassen der Wohnung
     kam ihm noch ein flüchtiger Gedanke: Marlen. Mit ihr konnte er reden.
    

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