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Leo Berlin

Leo Berlin

Titel: Leo Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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bleiben. Das Gefährliche ist die innere Schwellung des
     Halses, die müssen wir unbedingt bekämpfen. Außerdem kann
     die Krankheit auf innere Organe übergreifen, was zu schweren
     Komplikationen führt. Sie darf in der nächsten Zeit auch keinen
     Besuch erhalten.«
    Leo sah ihn entgeistert an.
     »Ich darf überhaupt nicht zu ihr?«
    Der Arzt nickte bedauernd.
     »Die Isolation ist wegen der Ansteckungsgefahr erforderlich. Sollten
     Sie oder Ihre Familie in den kommenden Tagen ähnliche Symptome verspüren,
     müssen Sie sich umgehend bei uns vorstellen.«
    Leo nickte wie betäubt.
     »Kann ich sie denn . . . irgendwie sehen?«
    »Sie dürfen durchs
     Fenster hineinschauen. Verabschieden Sie sich jetzt bitte, Herr Wechsler.«
    Leo hob Marie von der Liege
     hoch. Sie sah ihn an und flüsterte: »Der Doktor hat gesagt, ich
     muss hier bleiben?«
    Er nickte. »Damit du
     schnell wieder gesund wirst. Wir dürfen dich besuchen, aber nur
     durchs Fenster. Malst du mir dann mit Atem ein Bild an die Scheibe?«
    Sie nickte, und Leo spürte,
     wie sie um seinetwillen ihre Angst unterdrückte. Dann drückte er
     sie noch einmal fest an sich und ging zur Tür, um den Abschied nicht
     unnötig hinauszuzögern. Bevor er die Klinke niederdrückte,
     hörte er ihre leise Frage: »War Mama auch hier?«
    Er biss sich auf die
     Unterlippe und drehte sich um. »Ja. Aber sie war viel schlimmer
     krank als du. Große Mädchen wie du kommen bald wieder nach
     Hause.«
    Mit diesen Worten ging er
     hinaus.
    Seine Schwester erwartete ihn
     an der Wohnungstür, hinter ihr stand Georg und schaute ihn angstvoll
     an. Als Leo Ilse sah, keimte wieder irrationale Wut in ihm auf, für
     die er sich sofort schämte, doch er brachte keine Entschuldigung
     über die Lippen.
    Ilse zog fröstelnd den
     Morgenmantel enger und fragte drängend: »Was hat sie? Musste
     sie dort bleiben?«
    »Vermutlich Diphtherie.«
     Er zog müde den Mantel aus und hängte ihn an den
     Garderobenhaken.
    »Ist das sehr schlimm?«,
     fragte Georg scheu.
    »Sie kommt auf eine
     Isolierstation, damit sie niemanden ansteckt«, sagte Leo schleppend.
     »Wir dürfen sie erst mal nur durchs Fenster sehen.« Er
     legte Georg den Arm um die Schultern und führte ihn zurück ins
     Kinderzimmer. Als der Junge im Bett lag, strich Leo ihm sanft über
     den zerzausten Schopf und ging hinaus.
    Ilse stand reglos im Flur.
    »Es war furchtbar, sie
     dort allein zu lassen. Ich musste an Dorothea denken.« Mit diesen
     Worten ging er in sein Zimmer und machte die Tür hinter sich zu. Er
     ließ Hemd und Hose an, zog nur die Schuhe aus und legte sich hin.
    Schlafen konnte er in dieser
     Nacht nicht mehr.
    Der Traum verfolgte ihn
     gnadenlos, so dass er sich nicht einmal mit Arbeit ablenken konnte.
     Eigentlich unverständlich, da es doch schon so lange zurücklag.
     Auch waren die Geschwüre bei weitem nicht so schlimm gewesen wie in
     seinem Traum. Und die Erholungsreise nach Italien hatte verhindert, dass
     irgendjemand in Berlin davon erfuhr.
    Dennoch kam es ihm
     letzthin manchmal vor, als schauten ihn die Angestellten seltsam an. Er fürchtete
     schon, sie könnten ihm den Traum vom Gesicht ablesen. Blickte eine
     Sekretärin auf seine verhüllten Hände, verbarg er sie
     unwillkürlich im Schoß. Diese Unsicherheit hatte er seit Jahren
     nicht erlebt.
    Damals schon. Als er die
     ersten Zeichen an seinem Körper feststellte, aber nicht zu deuten
     wusste. In Bereichen, die so intim waren, dass er mit niemandem darüber
     sprechen konnte, nicht einmal mit einem Arzt. Er spürte die prüfenden
     Blicke seiner Mutter und zog sich immer mehr in sich zurück. Eine
     unsichtbare Hülle schien ihn von der Außenwelt zu trennen.
    Viele Brücken gab es
     nicht abzubrechen. Die Freunde, die sein Vater ihm aufgedrängt hatte
     und durch die er in diese furchtbare Lage geraten war, waren im Krieg
     gefallen.
    Nach einiger Zeit
     verschwanden die Knoten. Er schöpfte Mut, fühlte sich genesen.
     Als er einige Monate später an einer Art Grippe erkrankte, hatte er
     keinerlei Verbindung hergestellt.
    Danach folgten gute Jahre,
     in denen er die Nachfolge seines Vaters in der Fabrik antrat. Bald darauf
     starb auch seine Mutter, deren Zuneigung er zuletzt mehr und mehr als
     Umklammerung empfunden hatte. Als er Viola kennen lernte, war sein Glück
     vollkommen.
    Doch dann behauptete der
     Heiler, er sei mit dieser unaussprechlichen Krankheit behaftet.
    Und jetzt –
    Leo packte das Bild aus. Er
    

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