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Leo Berlin

Leo Berlin

Titel: Leo Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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mitten
     in der Nacht.«
    Sie trat vom Fenster zurück
     und lehnte sich an die Brüstung. »Ich will keine
     Entschuldigungen hören. Dass du bei einer Frau warst, geht nur dich
     etwas an. Einer Frau, von der ich im Übrigen nichts halte, aber das
     nur nebenbei.«
    »Wie du schon sagtest,
     Marlen geht dich nichts an.«
    »Und was ist mit meinen
     Bekannten?«, begehrte sie auf. »Was war mit dem Nachmittag, an
     dem ich verabredet war und du ins Präsidium gegangen bist, obwohl du
     gar keinen Dienst hattest?«
    Er hatte geahnt, dass sie früher
     oder später noch einmal damit anfangen würde. »Es war
     nicht richtig, aber ich habe mich bereits dafür entschuldigt. Wie oft
     soll ich es noch tun?«
    »Du sollst dich nicht
     ständig entschuldigen, sondern einfach anders verhalten, Leo.«
     Sie nannte ihn so selten beim Namen, dass er beinahe zusammengezuckt wäre.
     Er schaute unwillkürlich durchs Fenster zu Marie und hoffte, dass sie
     nichts von der Auseinandersetzung mitbekam. Ilse war für sie mehr als
     eine Tante, da Marie ihre Mutter fast nicht gekannt hatte. Ein Streit
     zwischen ihr und dem Vater würde sie gewiss verunsichern.
    »Sie hört uns
     nicht. Zum Glück.«
    »Was heißt hier
     zum Glück? Wir können gern aufhören zu streiten«,
     sagte Leo, den allmählich ebenfalls die Wut überkam. Warum
     musste er sich ständig rechtfertigen?
    »Das wäre ja so
     einfach, nicht?«, versetzte Ilse. »Ein paar schöne
     Kartoffeln, eine Tafel Schokolade, schon ist die alte Ilse ruhig. Das hast
     du als Kind schon so gemacht. Wenn du etwas ausgefressen hattest und ich
     den Kopf dafür hinhalten musste, kamst du nachher mit einem Zuckerwürfel
     angeschlichen. Du bist unverbesserlich.«       
    »Jetzt reicht es. Falls
     du vorhast, unsere gesamte Kindheit hervorzukramen, gehe ich lieber
     gleich. Ich habe auch ein Leben außerhalb der Arbeit. Ich bin
     vierunddreißig Jahre alt und nicht nur Polizist, nicht nur Vater.«
     Er hauchte Marie einen Kuss durchs Glas zu und machte auf dem Absatz
     kehrt, doch Ilse rief ihm noch hinterher: »Und ich bin nicht nur
     dein Kindermädchen und deine Haushälterin, Leo.«
    Ilse hatte das letzte Wort
     behalten. Genau wie früher. Und das Schlimme war: Sie hatte Recht.
    Er saß an der
     Entwicklung einer neuen Kollektion von Damenknöpfen. Jünger
     sollte sie sein, aber nicht gewöhnlich. Lindgrün, Zartrosa,
     sonniges Gelb – die graue Zeit brauchte lebhafte Farben. Das
     Zeichnen hatte er sich selbst beigebracht. Nicht dass er so begabt gewesen
     wäre wie seine Modezeichner, doch es reichte, um den Gestaltern
     begreiflich zu machen, was er sich vorstellte. Bei dieser Arbeit vergaß
     er oft alles um sich herum.
    Als sein Chefgestalter
     Behnke nach höflichem Klopfen eintrat, schaute er kaum hoch, sondern
     winkte den Angestellten zu dem großen Tisch am Fenster. Unwillig
     rieb er sich dabei den rechten Arm, um das hartnäckige Kribbeln zu
     vertreiben.
    Behnke sah ihn ein wenig
     verwundert an. »Haben Sie Beschwerden, Herr Direktor?«
    »Mir ist nur der Arm
     eingeschlafen«, entgegnete er knapp. »Hier, ich habe eine neue
     Idee für eine Damenkollektion. Damit möchte ich auch jüngere
     Frauen ansprechen. Als Material wollte ich Kunststoffe einsetzen,
     vielleicht auch Bein und Perlmutt.«
    Als Behnke kurz darauf
     »Welcher Wechsel, bitte?« fragte, sah er den Gestalter verständnislos
     an.
    »Was reden Sie da,
     Behnke?«
    »Verzeihung, aber
     Sie sagten etwas von einem Wechsel.«
    »Da müssen Sie
     sich verhört haben«.
    Abrupt wandte er sich ab,
     um seine Verwirrung zu verbergen. Er spürte, wie ihm sein Ich auf
     einmal zu entgleiten drohte. Eben noch hatte er sich so zuversichtlich gefühlt,
     und schon meinte er, Mitleid und Unverständnis im Blick des anderen
     zu lesen.
    »Wie Sie meinen.«
     Und dann: »Ist Ihnen nicht gut? Ihre Augen, Herr Direktor –«
    Er schüttelte den
     Kopf. Mit seinen Augen war alles in Ordnung, er sah den feinsten Strich
     auf dem Papier. Nur der Arm wollte nicht so recht, war immer noch ein
     wenig taub.
    »Kommen Sie um eins
     wieder, Behnke. Ich fahre noch einmal weg.«
    Im Büro waren die
     Nachrichten erfreulicher. Die Kollegen in Potsdam hatten einen Goldschmied
     gefunden, der sich an die Brosche erinnerte, obwohl seit der Anfertigung
     so viel Zeit vergangen war. »Tatsächlich in der Nähe
     gekauft, wie wir dachten«, sagte Leo zu Robert und deutete auf den
     Zettel mit der Anschrift des

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