Leo Berlin
Lass uns ein bisschen zu Fuß
gehen.«
Robert nickte und stieg aus.
Er kannte Leo lange genug und merkte, wenn er Luft brauchte. Still gingen
sie in Richtung Brandenburger Straße. Erst in der belebten Straße
mit den alten Bürgerhäusern und schönen Geschäften
brach Leo sein Schweigen. Er deutete auf ein Geschäft in einem
eleganten, hellgelb getünchten Haus, dessen schmiedeeisernes Schild
»Winckler – feine Gold- und Silberwaren« ankündigte.
Im Schaufenster lagen erlesene Schmuckstücke auf dunkelblauen und
weinroten Samtkissen, die den Glanz der Juwelen betonten. Preisschilder
gab es keine.
Robert sah Leo an. »Nicht
gerade unsere Kragenweite, was?«
»Wohl kaum.« Sie
betraten das Geschäft, das auch innen überaus geschmackvoll
ausgestattet war. Bequeme Sessel luden zum Verweilen ein, die Theke stand
diskret im Hintergrund, geschickt beleuchtet, so dass die ausgestellten
Schmuckstücke besonders gut zur Geltung kamen. An den Wänden
hingen Porträts, die vermutlich frühere Geschäftsinhaber
zeigten.
Eine melodische Glocke kündigte
den Besuch an. Ein älterer Herr mit Kneifer trat aus einer Tür
mit der Aufschrift »Werkstatt«. »Guten Tag, die Herren,
womit kann ich dienen?«
Leo und Robert stellten sich
vor.
»Mein Name ist August
Winckler. Zugegeben, ich war sehr überrascht, als die Polizei mich
anrief.«
»Das sind die meisten
Menschen, die gewöhnlich nicht mit uns zu tun haben«,
entgegnete Leo verbindlich. Dann holte er ein Kästchen aus der
Tasche, klappte den Deckel auf und stellte es auf die Theke. »Stammt
diese Brosche aus Ihrer Werkstatt?«
»Darf ich?«
August Winckler nahm den Käfer vorsichtig in die Hand und hielt ihn
ans Licht. »Ja, das ist meine Arbeit. Lange her, zwölf Jahre«,
sagte er mit einem Blick auf die Gravur. »Ein kostspieliges Stück,
die Anfertigung war sehr aufwendig.«
»Wir möchten den
Namen des Käufers von Ihnen erfahren, Herr Winckler«, sagte Leo
und dachte bei sich, wie gut, dass es bei Goldschmieden keine
Schweigepflicht gibt. Andernfalls würde dieser ehrenwerte Herr gewiss
kein Wort über seine Kunden verlieren.
Und richtig, Herr Winckler
wiegte bedächtig den Kopf. »Ich spreche ungern über meine
Kundschaft, Herr Kommissar.«
»Das ist verständlich,
aber wir ermitteln in einem Mordfall. Da kann ich leider keine Ausnahmen
machen.«
Der Goldschmied sah ihn
erschrocken an. »Ein Mordfall? Und er hat mit meiner Brosche zu tun?
Das ist mir überaus unangenehm. Wir sind ein alteingesessenes Haus
mit Kunden aus den höchsten Kreisen. Ich hoffe, Sie behandeln die
ganze Angelegenheit diskret.«
»Da können Sie
sicher sein«, warf Robert ein, da er spürte, wie Leo allmählich
die Geduld verlor. »Wir möchten Sie bitten, in Ihren Unterlagen
nachzuschauen, wer die Brosche bei Ihnen hat anfertigen lassen. Oder können
Sie sich noch an den Kunden erinnern?«
Herr Winckler schüttelte
den Kopf und wandte sich rasch ab. Leo zog die Augenbrauen hoch.
Der Goldschmied kam mit einem
großen Hauptbuch zurück. Eine stattliche Frau mit eisengrauem
Haarknoten folgte ihm. Sie trug ein schlichtes dunkles Kleid mit einer
Kamee am Hals.
»Guten Tag, ich bin
Edith Winckler.« Sie schob ihren Mann, der sich nicht wehrte, sanft
beiseite und blätterte im Buch. Sie fuhr mit dem Finger die Namen
nach. »30.
Mai 1910. Brosche in Form
eines Käfers, 555er Gold, Granat und Onyx. Mit Gravur. 300 Mark.«
Sie drehte das Buch um, so dass die Polizisten den Eintrag lesen konnten.
In der Zeile darunter standen Name und Anschrift des Auftraggebers.
»Kurt Dießing, Berlin-Zehlendorf.«
»Gute Gegend«,
bemerkte Robert.
»Ein feiner Herr«,
sagte Frau Winckler. »Ich fand die Idee mit dem Käfer ganz
reizend. Seine Frau hat sich sicher gefreut.«
Robert hüstelte. »Er
hat also erklärt, die Brosche sei ein Geschenk für seine Frau?«
»Ja, daran erinnere ich
mich genau«, bestätigte auch der Goldschmied. »Er wollte
sie ihr zur Silberhochzeit schenken.«
»Und eben wussten Sie
nicht mehr, wie der Kunde hieß«, meinte Leo etwas bissig.
»Es ist mir gerade
wieder eingefallen.«
»Unsinn, August, sag
den Herren doch die Wahrheit. Herr Dießing ist noch immer ein guter
Kunde von uns. Er kauft hier häufig Geschenke für seine Frau und
seine Tochter.«
»Einen Moment«,
warf Leo ein. »Der Name kommt mir bekannt
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