Leo Berlin
lassen. Danach ist er immer gekommen, um sie hier zu
treffen.«
»Den schnappen wir uns
morgen«, sagte von Malchow, als sie das Lokal verließen.
»Erst erstatten wir dem
Kommissar Meldung«, warf Robert scharf ein und hielt von Malchows
Blick ungerührt stand.
Leo und Stankowiak standen in
einer Kaffeebude Ecke Linienstraße und Grenadierstraße.
»Ich muss ein bisschen auftanken«, sagte Leo und deutete auf
den Kaffee, »ich habe letzte Nacht schlecht geschlafen.«
»Ihre Tochter?«,
fragte Stankowiak ruhig.
Leo sah ihn überrascht
an. »Woher wissen Sie das? Ja, ich musste sie letzte Nacht ins
Krankenhaus bringen. Diphtherie. Immerhin war der Abend bis jetzt nicht
ganz vergebens. Furchtbare Plörre.« Er stellte die Tasse hörbar
auf die Theke und warf ein paar Münzen daneben. Er wollte nicht mit
Fremden über Marie sprechen.
In diesem Augenblick ertönte
Lärm auf der Straße, etwas prallte gegen die Türscheibe,
eine junge Frau rutschte von außen am Glas hinunter zu Boden und
erbrach sich über ihren falschen Persianer. Leo und Stankowiak eilten
instinktiv nach draußen, doch schon schoss auf dem Gehweg ein Mann
herbei, trat nach der Frau, riss sie an den Haaren hoch und schleifte sie
ein Stück mit. Die Polizisten folgten ihm.
»He, Sie da! Polizei.«
Stankowiak hielt den Mann an der Schulter fest und zeigte seinen Ausweis.
»Lassen Sie die Frau los.«
»Was soll das? Die gehört
mir, die läuft für mich. Wollt mir Geld unterschlagen, das Aas.«
»Is nich wahr«,
nuschelte die Frau und wischte sich mit dem Handrücken Blut und
Erbrochenes vom Mund. »Ick hab heut nüscht verdient. Ehrenwort.«
Der Lude stieß die Frau
gegen einen Laternenpfahl. Leo riss ihn an der Schulter herum und drückte
ihn gegen die Hauswand. »Es reicht. Du lässt die Frau jetzt
gehen, und wenn morgen eine Meldung bei uns eingeht, dann gnade dir Gott.
Kapiert?«
Der Lude nickte eingeschüchtert,
und Leo ließ ihn ziehen. Der Mann tauchte in einem dunklen
Hofeingang unter, während sich die Hure mühsam aufrappelte und
ihr enges Kleid glatt strich. Dann hob sie den Mantel vom Boden auf.
»Sauhund«, zischte sie leise und hinkte davon, ohne sich bei
den Männern zu bedanken.
Leo wandte sich ab. »Manchmal
finde ich diese Stadt zum Kotzen.«
Um eins fanden sich die
Beamten am Wagen ein und fuhren gemeinsam ins Präsidium zurück.
Von Malchow trug die Ergebnisse vor, die Leo mit einem angemessenen Lob
quittierte. »Gute Arbeit, meine Herren. Der Sache Blatzheim gehen
wir morgen, besser gesagt, heute nach. Und bleiben an unserem Mantelträger
dran. Er muss von mehreren Leuten gesehen worden sein. Die Gegend ist
belebt, es kann nicht sein, dass nur der junge Willy und Zylberstein ihn
bemerkt haben sollen. Dienstbeginn ist morgen um halb zwölf. Gute
Nacht.«
Er wollte jetzt nur raus aus
dem Büro, weg von dem Fall. Die letzten vierundzwanzig Stunden waren
mehr als anstrengend gewesen. Die Sorge um Marie hatte ständig im
Hintergrund gelauert, und es tat ihm leid, dass er Ilse in dieser Nacht
allein ließ. Dennoch konnte er jetzt unmöglich nach Hause
fahren. Die Müdigkeit machte ihn seltsam fiebrig, ihm war nicht nach
Schlafen zumute.
Dann fiel ihm wieder ein, was
er sich für den Dienstschluss vorgenommen hatte.
Das Schöne an Marlen
war, dass er um jede noch so ungewöhnliche Zeit bei ihr auftauchen
konnte. Sie lebte nach einem völlig anderen Rhythmus als er und
wunderte sich nicht, wenn er um zwei Uhr morgens vor ihrer Tür stand.
»Ich bin gerade nach
Hause gekommen«, sagte sie und trat zurück, um ihn
hereinzulassen. Ihr Bubikopf war silberblond gefärbt und umrahmte ihr
Gesicht wie ein schimmernder Vorhang. Sie war keine Frau zum Heiraten,
doch Leo kam gern zu ihr, wenn es ihm in der Emdener Straße zu eng
wurde. Oder wenn er einen schlechten Tag hinter sich hatte.
»Du siehst müde
aus. Nein, eher mitgenommen. Ein schlimmer Fall?«, sagte sie und hängte
ihren Abendmantel, den sie achtlos auf einen Stuhl geworfen hatte, an die
Garderobe. Dann nahm sie seinen Mantel.
Leo winkte ab und ging wie
selbstverständlich ins Wohnzimmer, wo er sich ein Glas Kognak eingoss
und in einem weichen Ledersessel Platz nahm.
»Kognak?« Sie sah
ihn überrascht an, da Leo sonst nur Bier, höchstens einmal ein
Glas Wein trank.
»Heute schon. Marie ist
krank, sie hat Diphtherie. Muss ganz
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